zurück vor auf Inhaltsverzeichnis


Mensch und Welt sind der Sünde verfallen

So viel steht für Klepper fest, Sünde ist nicht identisch mit Unglück. Aber, so fügt er hinzu: Das Unglück bringt den Menschen womöglich Gott näher, "Unglück trennt nicht, nur die Sünde"(10.12.37).

Klepper betont die Ohnmacht des Menschen, aber Gott lässt ihn in dieser Ohnmacht nicht allein. Indem er richtet, richtet er wieder auf. Der Mensch begleicht seine Schuld nicht, Gott übernimmt sie. "Gott zerreißt den Schuldschein, der zwischen ihm und uns besteht"(12.9.35). Doch bleibt der Christ zeit seines Lebens ein Sünder. Er fällt immer wieder in Sünde und bedarf daher der Vergebung.

Wer sich von Gottes Führung so viel verspricht wie Klepper, kann mithin vom eigenen Streben nur wenig halten.

Die Menschen können das Unheil der Welt nicht abwenden. (Klepper hat das in seinen letzten Lebensjahren schmerzlich erfahren.) Sie können nur beten: Gott möge es tun. Sich in Gottes Willen, in die von Gott vorgezeichnete Bahn fügen ist das einzige, was dem Menschen bleibt.

In Selbstfindung und Selbstverwirklichung sein Heil zu finden, wie es heute wie vielen Menschen vorschwebt, wäre Kleppers Sache nicht gewesen, diesen Zielen hätte er heftig widersprochen.

Die Seligkeit des Menschen besteht für ihn nicht in der Bezogenheit auf sich selbst, sondern in der Hingebung an Gott. Klepper ist getragen von einem gläubigen Vertrauen in die göttliche Fügung seines Lebens und gewinnt vielen Dingen zum Beispiel seinem Entschluss, sich aus dem öffentlichen Leben nach 1933 zurückzuziehen, einen Sinn ab.

"Erfolge oder Misserfolge sind ja in erster Linie doch religiöse Angelegenheit, und kein Aufsichtsrat der Ufa und kein Reichsdramaturg des Propagandaministerium kann doch darüber entscheiden, was Gott mir geben oder nehmen will"(20.2.34).

Für Klepper zählt nicht die auf menschlichen Fähigkeiten beruhende Leistung, sondern ihre Autorisierung durch Gott. Gott muss seiner Überzeugung nach über Gelingen und Nachhall auch der Dichtung befinden.

Während der Katholik Schneider von einem unversehrten Kern im Menschen ausgeht und damit von der Wirkung der Persönlichkeit, ist der Protestant Klepper von der radikalen Verderbtheit der menschlichen Natur überzeugt und hält eine fruchtbare Wirkung menschlicher Begegnungen nicht für möglich hält. Während Schneider als Katholik an unzerstörte Fundamente dieser Welt glaubt und darum die "ewige Ordnung" schon im Diesseits vorfindet - zwischen Zeit und Ewigkeit besteht für ihn eine "analogia entis" - , geht der Lutheraner Klepper davon aus, dass das Leben als Ganzes der Sünde verfallen und dem Gottesreich entgegengesetzt ist. Er kann daher die Ordnung nur aus dem Jenseits, aus der biblisch bezeugten Offenbarung erfahren. Während sein Kollege und Leidensgefährte im Dritten Reich, Werner Bergengruen die Welt auslegt, exegesiert Klepper die Heilige Schrift.

Nach außen hin erschien Klepper oft passiv oder resigniert. Er selbst ergriff kaum die Initiative, sondern überließ möglichst alles Beginnen Gott. Nur im Glauben vermochte Klepper einen Sinn des Lebens zu erfahren.

Gérard Imhoff meinte, dass gerade Kleppers Religiosität jeden Eigenwillen erstickt habe. Seiner Ansicht nach beweist der Mechanismus der Flucht nach innen einen Mangel an politischer Reife, die Unfähigkeit des Deutschen, sich selbst zu definieren und als Staatsbürger erwachsen zu werden.


zurück vor auf uhomann@UrsulaHomann.de Impressum Inhaltsverzeichnis