zurück vor auf Inhaltsverzeichnis


Klepper hält nicht viel von menschlichen Leistungen

In Kleppers Vorstellung von der Bestimmung aller Dinge und Vorgänge durch Gott ist kein Raum für eine wirksame eigene Leistung des Menschen. Denn: "Alles, alles muss Gott tun"(1.1.42).

Auch der Glaube ist für Klepper kein selbständiges und eigenwertiges menschliches Werk, das Anrecht auf Gottes Segen gäbe. Vielleicht ist auch der Glaube gottgeschenkt, prädestiniert, überlegt er. Dann wieder versichert er: "Der Ertrag des Lebens besteht im Glauben, nicht in der Leistung" (16.7.36) und gesteht: "Ich habe mich immer am Verantwortungsgefühl gerieben, weil es mir als ein gefährlicher Einbruch der Ethik in den Glauben erschien. Verantwortungsgefühl ist aber nur der Zwang, eine Antwort geben zu müssen auf die Anrede Gottes"(9.6.35).

Rita Thalmann, Kleppers Biographin, hält dagegen das Eintrichtern von "gottgewollten Bindungen" von Jugend an, für eine Sünde, weil dadurch der Geist seiner Urteilskraft beraubt werde. "Sünde war und ist eine Lehre, die durch blindes Vertrauen auf Gottes Fügung und Führung den Menschen in resignierte Duldsamkeit drängt, ihm den Weg zur verantwortungsvollen Tat versperrt." Im Gegensatz zu Dietrich Bonhoeffer habe Klepper nicht erkannt, dass hinter dem Blendwerk des Irrglaubens der Vorurteile, des Klassen- und Rassendünkels die "mündige Welt" existiert, die Welt derjenigen, die für Gleichberechtigung und freie Entfaltung aller Menschen ohne Unterschied des Glaubens, der Nationalität, der Hautfarbe leben und kämpfen.

Nach seiner Entlassung und seinem Unterschlupf beim Ullstein-Verlag, gegen den die Beschäftigung beim Funk, laut Klepper, "ein Dorado" war, vermerkt er in seinem Tagebuch am 29.7.1933: "Gott weiß, warum er mir diesen seltsamen Unterschlupf gibt; vielleicht, dass er mir auch ein Einfallstor aufgetan hat. Ich kann nach alledem nicht fragen, muss die Zähne zusammenbeißen und sehr dankbar sein. Gott wird es wissen, warum er soviel Gnade und soviel Strafe auf mich legt. Was Gott aus meinem Talent macht, ist wohl wichtiger als das, was ich daraus machen möchte, und meine Schwermut über das Schicksal eines Dichters in dieser Zeit darf nicht aus dem Nahrung ziehen, was zu meinem Schutze geschieht." Aber es tauchen auch bange Fragen auf, so am 25.11.1938: "Wann redet Gott wieder 'wie ein Freund'? Er steht als Richter vor der Welt und einem selbst."

Letztlich jedoch überwiegt bei Klepper die Gewissheit, "dass Gott es so beschlossen hat: er will auch durch unsere vergänglichen Werke wirken" (27.10.1939).

Als 1941 die Situation für Klepper und die Seinen immer brenzliger wurde, schrieb er am 17. November 1941 in sein Diarium: "Wir wissen, dass Gott noch alles wenden kann."

Dann wieder betet er um ein Zeichen für Gottes Nähe, das seiner Frau bei ihrer Nüchternheit sichtbar werden könnte. Denn Hannis Bruch mit der Welt reicht tiefer als Kleppers Einsamkeit in seiner Kirche - sie hat nicht seinen Glauben und muss alles durchmachen, ohne die Nähe Gottes. Aber dann entschließt sich Hanni, sich taufen zu lassen, und so kann Klepper am 23.8.1938 in seinem Tagebuch verzeichnen: "Hanni und ich tun auf jeden sorgenvollen Gedanken in die Zukunft einen dankbaren Rückblick in die Vergangenheit. Und seit Hanni Christin werden will, bin ich viel ruhiger. Gott hat so deutlich gemahnt." Am 19.Oktober 1938 heißt es: "Ich denke nur mit Dankbarkeit ohne jeden Groll an das Vergangene" und 11.Januar 1939: "Ein Ehepaar richtet sich immer wieder gegenseitig auf - am gemeinsamen Glauben."

Hin und wieder plagen den Schriftsteller auch Skrupel, und Zweifel etwa wenn er 13.9.1938 fragt: "Ist Gott bei den Frommen und Tapferen? In der Stunde der Hybris des Dritten Reiches?"

Nach heutigem Verständnis wird Kleppers Umgang mit der Bibel in dem Moment schwer nachvollziehbar, wenn er meint, den Texten der Bibel eine direkte Umsetzung und Handlungsanweisung entnehmen zu können. Zudem fragt man sich hin und wieder, wenn Kleppers so unbeirrt an Gottes Fügung glaubt, wie weit reicht diese in den Bereich menschlicher Freiheit und menschlicher Entscheidungen hinein? Wie kann man beides, Gottes Fügung und menschliche Freiheit, miteinander in Einklang bringen?


zurück vor auf uhomann@UrsulaHomann.de Impressum Inhaltsverzeichnis