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Der Detektiv ein bürgerlich getarnter Erzengel?

Aber selbst wenn der Detektiv kein Geistlicher ist, so ist er doch schon häufig theologisch interpretiert worden, weil er meistens mithilft, die Bösen zu strafen und die Schwachen zu behüten. Helmut Heißenbüttel hat den Detektiv als theologische Figur, als "bürgerlich getarnten Erzengel" beschrieben, als göttlichen Boten, der die Ordnung der Welt, die durch das Verbrechen aus den Fugen geraten ist, wieder ins Gleichgewicht bringt. Andere Theoretiker vergleichen den Krimi in einer säkularisierten Gesellschaft mit dem Mysterienspiel im Altertum, das bekanntlich das Publikum belehren und bekehren sollte. Der scharfsinnige Kultursoziologe Siegfried Kracauer sah im Detektiv ein "Widerspiel" Gottes, einen säkularisierten Priester. "Das Immanente", schrieb er in den dreißiger Jahren, "das die Transzendenz verleugnet, setzt sich an ihre Stelle", dem Detektiv werde der Schein der Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit verliehen, "wenn er als Vorsehung Begebenheiten zu löblichem Ende verhindern oder herbeiführen darf." Allerdings kann sich der Detektiv nur in einer heillosen und gottverlassenen Welt zum allwissenden Schöpfer aufspielen. Als hochstilisierter Alleskönner greift er in das Weltgeschehen ein, was Gott offensichtlich nicht tut, und stellt durch die Scheidung der Verdächtigen von den Unverdächtigen, der Schuldigen von den Unschuldigen die Gerechtigkeit wieder oder überhaupt erst her, so wie wir es in Gottes Schöpfung gern hätten.


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