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HANS EBELING:Gut und Böse. Überquerung des Nihilismus jenseits von Nietzsche. 85 S., Königshausen & Neumann, Würzburg 1995;

Während die meisten Autoren der hier vorgestellten Bücher bemüht sind, Nietzsches Intentionen und Gedankengänge zu verstehen, und subtil die Verflechtungen zwischen seinem Leben und Werk ausloten und den Einfluss des Philosophen auf nachfolgende Generationen und Epochen differenziert beleuchten, vermag Hans Ebeling an den Theorien des vermeintlichen "Alleszermalmer" nichts Positives zu entdecken, im Gegeteil: er bürdet Nietzsche alle Schuld für spätere Entwicklungen auf. Mehr noch, Ebeling macht Nietzsche nicht nur für das eigene Denken verantwortlich, er lastet ihm darüber hinaus auch "die nationalsozialistische Pseudoreligion" und die "kommunistische Kryptoreligion" an, wobei er in seine Abrechnung gleich noch die Friedensbewegung, den Feminismus und moderne Freizeitbewegungen miteinbezieht.

Nietzsche, so schreibt Ebeling, sei gefährlicher noch als Marx. Er habe den Plebejern, obwohl er stets ihr Verächter war, zur Macht verholfen und den Unterschied von Gut und Böse liquidiert, so dass heute jeder glaubt, selbst in der Demokratie sei alles erlaubt.

Leider habe Nietzsches verqueres Menschenbild längst seine Vollendung im "gleichgemachten Menschen" gefunden, Unrecht sei zu Recht geworden durch die Anerkennung des Mittelmaßes als Richtschnur sowie durch den Verlust jedes Qualitätsmaßstabs. "Die progressive Infantilisierung der Massen, ihre Anbindung an den Staat als Glücksbringer und Verkünder des neuen Heils, macht das Unheil solange vergessen, bis eine Umkehr unmöglich geworden ist" (S.26).

Nicht nur durch Nietzsche, auch durch Denker wie Heidegger und Beckett habe sich der Nihilismus verfestigt. Nietzsche jedoch bleibt, nach Ebelings Dafürhalten,weiterhin ein Fanal für Europäer,wie Fidel Castro für Lateinamerika und Mao Tse-Tung für Asien. Nietzsche habe, klagt Ebeling weiter, dem größten Staatsterrorismus des 20.Jahrhunderts zugearbeitet und das moralische Empfindens der Empfindsamen zersetzt. Bis jetzt sei der praktizierte Nihilismus behauptungsfähig geblieben und beherrsche erfolgreich alle Lebensverhältnisse, vor allem im Schul- und Hochschulbereich. "Die faschistische und die kommunistische Diktatur haben einen Nihilismus der Geringschätzung etabliert, der im demokratischen Nihilismus fortgesetzt wird" (S. 83).

Wir müssen, schlägt Ebeling vor, Abschied nehmen von all dem, was Nietzsche, Heidegger und Beckett geschrieben haben, und zu Kant zurückkehren. Letztlich aber könne der Nihilismus nur durch den einzelnen überwunden werden, und zwar aus freier Einsicht und freien Stücken.


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