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Gemeinsame Arbeit an den Xenien

Knapp 200 Xenien (wörtlich: Gastgeschenke) entstanden in den ersten Januarwochen 1796. Ihren Ärger, ihren Spott ließen beide in den Xenien freien Lauf und bedienten sich dabei der treffsicheren Mittel unbekümmert frecher Satire, Parodie, Karikatur, Ironie und Witz. Zu ihrer beider Natur gehörte offensichtlich auch Humor, gelegentliche Schärfe und ein Schuss Kampfesfreude in geistigen Dingen. "Ein willkommenes Korrektiv zum herkömmlichen Bild der Klassik", merkt Gero von Wilpert in seinem Goethe-Lexikon an. Sie machten Spottverse auf alles und jeden Ihr satirischer Angriff galt in erster Linie der herrschenden kulturellen und literarischen Mittelmäßigkeit. Aber sie übten nicht nur Kritik an Zeiterscheinungen, sondern nahmen auch einzelne Personen ihrer Umwelt aufs Korn, wobei Schiller gelegentlich vor bloßer Wortspielerei und Verballhornung von Namen nicht zurückscheute, so dass Goethe sich mitunter veranlasst sah, mäßigend einzugreifen und Schiller daran zu erinnern, "dass wir bey aller Bitterkeit uns vor kriminellen Inkulpationen hütten."

Gleichwohl hatten die beiden beim Dichten allem Anschein nach viel Spaß. Berichtete doch Goethes Kammerdiener von dröhnendem Gelächter, das nicht selten aus dem Arbeitszimmer drang. Laut Sigrid Damm ist vom Sommer 1796 ein ähnliches Zeugnis von Minna Körner überliefert worden. Charlotte und sie saßen unten in den Jenaer Wohnräumen und "hörten über sich ..die Stimmen der dichtenden Freunde. In kürzeren und längeren Pausen ertönte ein schallendes Gelächter, zuweilen von sehr vernehmlichen Fussstapfen begleitet. Wenn die Herren um 12 Uhr zum Mittagessen herunter kamen, waren sie äußerst aufgeräumt, und sagten mehr als einmal: Heute sind die Philister wieder gründlich geärgert worden!"

Die Xenien waren, wie gesagt, ein gemeinsames Werk von Goethe und Schiller. "Freunde, wie Schiller und ich, jahrelang verbunden, mit gleichen Interessen, in täglicher Berührung und gegenseitigem Austausch, lebten sich ineinander so sehr hinein, dass überhaupt bei einzelnen Gedanken gar nicht die Rede und Frage sein konnte, ob sie dem einen gehörten oder dem anderen", sagte Goethe zu Eckermann am 16.Dezember 1828 und fügte hinzu: "Wir haben viele Distichen gemeinschaftlich gemacht, oft hatte ich den Gedanken und Schiller machte die Verse,, oft war das Umgekehrte der Fall, und oft machte Schiller den einen Vers und ich den anderen."

Als einmal der Herzog von Goethe genau wissen wollte, welche Verse er, Goethe, eigentlich verfasst habe, entgegnete dieser: "Alle, die nicht von Schiller sind." Doch blieb der Xenienkampf, der beiden von einem längst vergessenen Literaturkritiker die Bezeichnung "Sudelköche von Jena und Weimar" einbrachte, nur eine Episode.


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