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Wie sieht es in den Literaturen anderer Länder aus?

Bei Umberto Eco tauchen religiöse Probleme und kirchliche Belange immer wieder auf. Leider sind dessen Bücher nicht nur sehr lang, sondern auch sehr gelehrt und streckenweise etwas langatmig. Ferner wurde ich auf den Roman "Dixie Chicken" von Frank Ronan hingewiesen, weil der Erzähler dieser Geschichte Gott persönlich ist, gealtert und illusionslos, aber literarisch ist das Ganze ein unergiebiger Einfall, keine Spur von einem göttlichen Erzählergenie.

Nehmen wir Edna O'Briens "Das raue Land" kurz in Augenschein. Sie schreibt mit biblischem Pathos und erzählt Geschichten wie sie seit Kain und Abel schon tausendmal erzählt worden sind. Vor geraumer Zeit jedoch wurden ihre Romane von der katholischen Kirche sogar als Teufelszeug verboten und verbrannt.

Spärliche Versuche über "Gott" und den Sinn des Lebens" findet man auch in dem Erzähldebüt "Gewaltige Verschlechterung des Gehörs" des polnischen Autors Adam Wiedemann.

José Saramagos "Das Evangelium nach Jesus Christus" ist dagegen ein provozierender Christus-Roman. Er rekonstruiert das Leben Christi, wobei er ihn als Mensch unter Menschen zeichnet und die bekannte Geschichte immer neue fantasievolle Wendungen nehmen lässt und den überlieferten Stoffes respektlos umdichtet. Jesus erscheint lebenshungrig, sinnenfroh, aber auch ängstlich und unsicher. Zugleich stellt der portugiesische Autor radikale Fragen an das Christusverständnis von Gläubigen.

Bei Dalos György" Der Gottsucher" lässt schon der Titel aufhorchen. Man denkt sofort an die beiden russischen Dichter Dostojewski und Tolstoi und an einige ihrer über Gott und die Welt unablässig grübelnden Romangestalten. Aber auch Mitglieder verschiedener Sekten bezeichnen sich als Gottsucher. Doch der fünfzehnjährige Schüler Gábor Kolosz, Dalos' junger Protagonist, passt in keine dieser Kategorien, obgleich er im Laufe der Erzählung für einen Jungen seines Alters erstaunliche Gedanken und Überlegungen entwickelt. Die Geschicht spielt im kommunistischen Ungarn. Zwei Lehrer ringen um den Jungen, der eine ist ein bekennender Christ und aktenkundiger Konterrevolutionär, der andere als Kommunist ein entschiedener Gottesleugner. Die Unterschiede zwischen der kommunistischen Ideologie und der christlichen Religion werden hier deutlich vor Augen geführt. Der Junge fordert Gott heraus, aber dieser versagt sich ihm. Doch während einer großen Parade, bei der Gábor die rote Fahne vor der Ehrentribüne vorbeitragen darf, erscheint ihm Gott in Gestalt seines Vaters, der im KZ Mauthausen Unsägliches erlitten hat. Leider ist die Geschichte allzu durchsichtig und vermag nicht recht zu überzeugen.

Christliche Werte, sagte ein Weihbischof im Sauerland, seien auch dort vertreten, wo sie nicht sofort auffielen, und nannte als Beispiel Tolkiens "Herr der Ringe".

Mit Ausnahme der Bibel soll mittlerweile Harry Potter das meistübersetzte Buch der Welt sein. Oberflächlich gesehen haben beide etwas gemeinsam: Es geht bei beiden Büchern um Gut und Böse, genauer gesagt um Gut gegen Böse. Gleichwohl wurde Harry Potter im Sommer 2000 in den USA auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Einige Monate zuvor war er bereits an einer englischen Schule verboten worden. Es hieß, das Buch würde gegen die Bibel und die religiöse Moral verstoßen.

Der amerikanische Autor und Okkultismus-Experte Richard Abanes hat Joanne K.Rowlings Harry-Potter-Bände gleichfalls mit der Bibel verglichen und festgestellt: Harry Potter ist alles andere als perfekt. Die Moral und die sittlichen Prinzipien in Rowlings Fantasy-Geschichten seien unbiblisch. Abanes hat Hunderte von Seiten mit seinem Bibel-Scanner geprüft und aufgelistet, was Harry bisher verbrochen hat: Er ist ungehorsam gegenüber seinen Lehrern und Vormündern, ohne dafür bestraft zu werden. Er lügt, wenn es ihm zweckmäßig erscheint und kommt damit durch. Er treibt all die Zaubersachen, die das Alte und das Neue Testament als heidnisch verdammen. Und schließlich ist das ganze Personal der Serie moralisch höchst unzuverlässig. Die Guten sind nicht immer gut und die Bösen nicht immer böse. Es herrschen ein moralischer Relativismus und eine Konfusion der Werte und Vorbilder, die, so Abanes, schlimmste Folgen in Kinderköpfen hinterlassen könnten. Die geschilderten Praktiken entsprächen den Bräuchen in zeitgenössischen Zirkeln diverser okkultistischer Kulturen und Pseudreligionen. Abanes filterte aus Interviews mit Joanne K.Rowling Passagen heraus, aus denen sich, nach Abanes' Dafürhalten, ein Glaube an das Wirken übernatürlicher Kräfte in unserer Welt erkennen lässt, ohne offensichtlich zu begreifen, dass Literatur anders funktioniert als fromme Traktate und moralische Erbauungsschriften.

Dagegen hob der Salzburger Theologe Gottfried Bachl in der Katholischen Akademie in München hervor, dass bei Potter wie im Märchen das Gute siegt. Die Potter-Romane seien zwar völlig unreligiös, aber keineswegs antireligiös. Ihr eindeutige ethische Orientierung sei mit vielen Glaubensüberzeugungen und auch mit der biblischen Religion kompatibel. Mehr freilich nicht. Als Christ könne man zwar mit Sympathie eigene religiöse Wertungen hineinlesen und bestätigt finden, aber in den Romanen wird, zum Bedauern des Salzburger Theologen, nie gebetet. Religiöse Feste wie Weihnachten und Ostern würden, wie auch bei uns häufig, nur durch Festessen und Geschenke begangen. Die Welt des Zauber-Gymnasiums unterscheide sich in dieser Hinsicht kaum von der heutigen Alltagswelt.


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