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Das Werk von Jakob Wassermann
Zu Wassermanns wichtigsten Büchern zählt das Werk "Die Juden von Zirndorf". Der Roman - Wassermann schrieb ihn mit 23 Jahren - erzählt die Geschichte des Propheten und Erlösers Agathon Geyer und zeichnet ein packendes Bild vom Auszug fränkischer Dorfjuden unter dem Einfluss der sabbatianischen Bewegung des 17.Jahrhunderts. Zudem kreist das Buch, das heute fast vergessen ist, um das Problem der jüdischen Identität zwischen Assimilation und Antisemitismus.
Das allererste Buch von Wassermann war jedoch der 1896 unter dem Titel "Melusine" veröffentlichte Liebesroman, von dem sich sein Verfasser jedoch bald distanzierte.
Auf "Die Juden von Zirndorf" folgten 1905 der Roman "Alexander in Babylon", 1906 die Novelle "Die Schwestern", von der Wassermanns Freund Hofmannsthal sehr angetan war, und 1908 der Roman "Caspar Hauser oder die Trägheit des Herzens", 1915 der Roman "Das Gänsemännchen", 1919 das zweibändige Werk "Christian Wahnschaffe", der mitten im Ersten Weltkrieg entstand und von einem reichen Jüngling handelt, der sich von seinem Vater, einem großen Industriellen, trennt, um nach dem Vorbild Buddhas und Tolstois nur den Armen zu leben und ihnen zu helfen, ferner die Romane "Laudin und die Seinen", die berühmt gewordene Autobiographie "Mein Weg als Deutscher und Jude" und der nicht weniger populär gewordene "Fall Maurizius".
Henry Miller, durch Welten der Form und des Stils von Wassermann getrennt, bekannte in einem Essay, dass er den "Fall Maurizius" so oft, so erschüttert gelesen habe wie kein anderes Buch. Dieses Buch - es war der erste Band von Wassermanns groß angelegter Trilogie - schloss mit dem Satz: "Damit endet der Fall Maurizius, nicht aber die Geschichte von Etzel Andergast." Der zweite Teil erschien mit dem Titel "Etzel Andergast" - Etzel Andergast, der Held des ersten Buches spielt auch hier eine entscheidende Rolle - und der dritte Teil ist das schon erwähnte Nachlasswerk "Joseph Kerkhovens dritte Existenz". Dieser, der ältere Freund und Lehrmeister von Etzel, ist hier die beherrschende Gestalt.
Etzel gilt als Wassermanns großer positiver Held, als sein Ideal- und Wunschbild eines erneuerten Menschen der Zukunft und ist, wie seinerzeit Karl Rauch im Berliner "Telegraf" bemerkte: "Ein Beitrag zur immerwährenden Auseinandersetzung der Söhne mit den festgefahrenen Ansichten der Väter."
In seinen Romanen behandelte Wassermann wiederholt jüdische Gestalten und Probleme, nicht immer so direkt und manifest wie in "Juden von Zirndorf". Aber implizit sind diese in den meisten seiner Werke vorhanden. Die Heldin des Romans "Die Geschichte der jungen Renate Fuchs" (1900) ist beispielsweise eine Jüdin und in "Der Fall Maurizius" geht es um einen assimilierten Juden.
"Der Fall Maurizius", der Wassermann in seiner Zeit vor allem bekannt machte, handelt in der Gestalt des Warschauer-Waremme von den Erfahrungen der damaligen jüdischen Generation. In der ambivalenten Figur Warschauer-Waremme laufen alle Argumentationsstränge zusammen. Warschauer vollzieht den typischen Weg des Ostjuden nach West, über Deutschland nach Amerika und kehrt geläutert in den Osten zurück.
Hauptthema seines Werks ist die deutsch-jüdische Identität. Beide, Leben und Werk Wassermanns, haben ihre Wurzeln im 19.Jahrhundert. Schließlich war Wassermann noch ein Zeitgenosse Emile Zolas. Auch erschien das Buch, das ihm zum großen Durchbruch verhalf, "Die Juden von Zirndorf", bereits im Jahr 1897. Doch sein eigentlicher Ruhm, der zeitweise sogar den von Thomas Mann überstrahlte, begann erst Anfang des vorigen Jahrhunderts und gründete sich auf einer Vielzahl von Romanen, Erzählungen und Essays, die viele Stilwandlungen aufweisen und offensichtlich den Nerv seiner Zeit getroffen haben.
Einen "Teppich von Gestalten" nannte Wassermann das Leben und glaubte, dass man der Unerschöpflichkeit des Schicksals nur durch Erzählen beikommen könne. Der Spötter Egon Friedell sagte einmal von ihm: "Wassermann soll gerade dabei sein, den Roman einer Hausgehilfin zu schreiben. Dieses Dienstmädchen aber hat einen Vetter. So muss er die Geschichte verlassen und sich ein wenig dem Vetter widmen. Über Nacht bekommt dieser Vetter einen Großonkel. Dieser Großonkel aber hat drei Nichten, die eigentlich doch den gleichen Anspruch an Wassermanns Erzählen haben.." Das war gut und lustig beobachtet. Doch stand eine ernste Wahrheit dahinter: der Gobelin menschlichen Schicksals wird niemals zu Ende gewebt. Erst mit seinem eigenen Tod legt der Dichter das Werkzeug aus der Hand. Wie Thomas Mann so brauchte auch Wassermann viel Raum zum Erzählen. Die Kurzform war seine Sache nicht.
Häufig kommen in seinen Büchern entwurzelte Juden vor, die sich der intellektuellen Elite anschließen, aber dort keinen Platz finden und deshalb trotz ihrer scheinbaren Assimilation Außenseiter bleiben. Ihre Außenposition schärft ihr Beobachtungs- und Urteilsvermögen.
Gegen Ende seines Lebens, wollte Wassermann, wie oben angedeutet, einen Roman über das Schicksal des ewigen Juden, Ahasver schreiben. Er sollte die Geschichte des jüdischen Volkes durch zweitausend Jahre in der Gestalt von historischen Bildern und Dialogen behandeln und die Erfahrungen und vergeblichen Bemühungen um die deutsch-jüdische Synthese der Juden in Form von Bildern und Gesprächen zum Ausdruck bringen mitsamt der Geschichte des jüdischen Volkes durch zweitausend Jahre, personifiziert in der Gestalt des ewigen Juden. Dieser geht durch die Zeiten und erlebt das jüdische Schicksal. Alle Wendepunkte dieser einzigartigen Geschichte sollten beleuchtet werden. Wassermann schreibt am 25.August 1933 an seinen englischen Verlagsagenten Otto Klement, dass er eine große Anzahl schon skizziert habe, "Gespräche mit Paulus, Julian Apostata, Karl dem Großen, Papst Innozenz, der spanischen Isabella, Spinoza, Richelieu, Cromwell, Katharina II., Friedrich dem Großen, Maria Theresa, Napoleon, Karl Marx, Bismarck, Lenin und - Hitler. Daneben Bilder von Austreibungen, Gelehrtenschulen, Sektenbildungen, Bankengründungen usw., usw." Das "Ahasver"-Projekt bedeutete offensichtlich die Abkehr von einem Land, dem Wassermann sich zugehörig wusste; denn selbst viele gebildete Bürger- das musste Wassermann voll Schmerz erkennen - bekannten sich zu Hitler. Hätte Wassermann länger gelebt, hätte er angesichts der Ereignisse in Deutschland wohl ebenfalls "seinen" Wanderstab aufnehmen müssen.
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