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Zwei deutsche Autorinnen

In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst zwei Autorinnen erwähnen: Eva Zeller und Gabriele Wohmann.

Eva Zeller, Frau eines Pfarrers, macht in ihren Büchern wie etwa in "Tod der Singschwäne" häufig deutlich, wie sehr sie sich auch als Schriftstellerin der christlichen Botschaft verpflichtet fühlt, ohne sie dem Leser als einzig mögliche Anschauung von Welt aufzudrängen.

In ihrem Lyrikband "Ein Stein aus Davids Hirtentasche" kreisen die religiös gefärbten Gedichte um die Erfahrungen eines Menschen, der die Bibel beim Wort nimmt, um deren Spuren am eigenen Leben zu ertasten. In der Auseinandersetzung mit biblischen Gestalten nähert sich das lyrische Ich, schwankend zwischen Zweifel und Gewissheit, in einer spröden Diktion der Botschaft der Bibel und läßt in der lutherischen Tradition deutlich werden, dass das Geheimnis des Glaubens auf Sprache angewiesen ist. "Nicht, dass ich/es lese, um es/zu lesen, ich/ habe nur das /unverschämte Glück,/am Tropf dieser Worte zu hängen."

In ihrem Buch "Die Lutherin" verfolgt Eva Zeller die Spuren von Katharina von Bora und nimmt deren Leben zugleich als eigenes Spiegelbild wahr.

In ihrem Gedicht "Jesaja 45,9" dient ihr der vorangestellte Vers nur als Ausgangspunkt für eigene Betrachtungen.

Sie denkt "Jesaja 45,9" quasi weiter und formt den Ausspruch

"spricht der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du" in die Existenzerfahrung um: "..da war der Achsendruck das/Schlingern einer Töpferscheibe der/schwindelnde Gedanke es/bediene wer sich meiner Fliehkraft." Die Dichterin benutzt das Schriftwort als Initialzündung, führt den Gedanken weiter aus und bringt so das Bibelwort in eindringlicher Weise zum Sprechen.

In ihrem Prosaband "Der Turmbau" stellt sie in der Titelgeschichte unter deutlichen Bezügen zu Genesis 11 ein modernes Wohnsilo unserer Zeit vor, "detailliert und funktionalisiert durchgeplant für 30.000 Bewohner, gleichzeitig aber ein Mahnmal der Seelenlosigkeit und Isolation des zeitgenössischen Menschen"(Georg Langenhorst).

Das "Hohe Lied der Liebe" aus 1.Korinther 13, hat sie der Welt und der Sprache von heute angepasst. Den paulinischen Lobgesang auf die Liebe dichtet sie in einem acht-strophischen Gedichte nach. Die erste und letzte Versgruppe sind hier der biblischen Vorlage gegenübergestellt

Zunächst 1.Kor.13,1:

"Wenn ich/ mit Menschen-/ja mit Engelszungen rede,/habe aber der Liebe nicht,/so bin ich ein tönendes Erz/Und eine gellende Schelle"

Bei Zeller heißt es: "Wenn ich/ das Schweigen brechen könnte/und mit Menschen-/ und Engelszungen reden/ und hätte der Liebe nicht/ so würde ich/ leeres Stroh dreschen/und viel Lärm machen/ um nichts.

1.Kor.13,13

"Nun aber bleiben/Glaube, Liebe, Hoffnung,/diese drei/am größten jedoch/unter ihnen ist die Liebe."

Zeller: "Nun aber bleibt/ Glaube Liebe Hoffnung/ Diese drei/ Aber die Liebe/ ist das schwächste/ Glied in der Kette/ Die Stelle an welcher/ der Teufelskreis bricht."

Wie andere Autorinnen unserer Zeit erprobt Zeller in zahlreichen Gedichten, besonders zu Frauengestalten, mit Hilfe der Bibel eine neue Sprache und eine neue Sicht.

In einem anderen Gedicht bekundet sie ihr Bindung an die Bibel:

"Sie werden lachen: /

Die Bibel: dies /

Sammelsurium der /

Schlitzohren /

und Opferwütigen, der /

Ehebrecherinnen und /

Gebenedeiten, der /

Judasse und derer, /

die mit ihren Tränen /

prangen dürfen. /

Sie werden lachen: /

die Bibel, die Lautschrift, um aus /

sprechen zu können, /

wonach der Kranke /

sich müde seufzt, /

der Empörer in /

unterkellerten Städten. /

Sie werden lachen: /

die Bibel, ein Buch /

zum Verschlingen, /

Himmelherrgottnochmal, und ich bin /

höllisch froh, /

dass es dermaßen /

dick ist."

(Doch seit langem sind ihre Gedichtbände wie "Fliehkraft", "Auf dem Wasser gehn" und "Ein Stein aus Davids Hirtentasche" vergriffen und werden vorläufig nicht wieder aufgelegt. Soll man darin ein Symptom unserer Zeit sehen, die glaubt, christlich gefärbte Lyrik entbehren zu können ?)

In Gabriele Wohmanns Erzählungen kommen immer wieder Menschen vor, für die der Glaube wichtig ist. Themen bei ihr sind das zerbrechliche Glück, Alter, Sterben, Tod, das Gefühl, auf dieser Erde keine Heimat zu haben. Die Schriftstellerin ist Tochter eines evangelischen Pfarrerehepaares, aber offensichtlich hat ihr die christliche Erziehung nicht geschadet im Gegensatz zu anderen christlich erzogenen Schriftstellern. Ihr Vater sei tolerant gewesen, sagte sie einmal, deshalb habe sie nie das Bedürfnis verspürt, rebellisch zu sein.

Die Schriftstellerin ist eine Meisterin exakter Beobachtung. Sie ist unerbittlich im Aufdecken menschlicher Schwächen und zeigt sich sensibel und solidarisch mit den Opfern. Ihre Geschichten handeln von kleinen Leuten mit großen Träumen, von unerfüllten Wünschen und zerschlagenen Hoffnungen, von Durchschnittsmenschen, denen viel widerfährt und die doch nichts erleben. Mit biblischen Aussagen hält sie sich in ihren ersten Büchern zurück. Erst in den letzten wird deutlich, woraus sie lebt. Es tauchen immer mehr Helden auf, die sich gegen den Zustand der Leere und der Gottlosigkeit wehren.

In ihrem Gedichtband "So ist die Lage" erzählt sie in ihrem Titelgedicht, dass sie bei ihrem "Versuch nach etwas Belangvollem Aussschau zu halten" auf sich selbst gestoßen ist und kommt dann nach mancherlei Überlegungen zu dem Schluss: "Lieber-Gott-Sagen ist möglich. Das liegt an mir."

In ihrem Roman "Schönes Gehege" bezieht sich die Hauptgestalt Roberth Plath ausdrücklich auf diese Aussage und bittet nach mancherlei Wirrnissen: "Bitte, lass mich nicht in dieser Leere, lieber Gott, ich habe Angst vor dieser Leere, ich nenne diese Leere jetzt Gottlosigkeit, Langeweile ist Gottlosigkeit, ist Angst vor dem Nichts, vor dem Tode.."

Seit den frühen achtziger Jahren flicht sie häufig Bibelzitate in ihre Texte ein und lehnt sich in ihrer Lyrik zuweilen an Barockpoesie und Kirchenlieder an. "Erst zögernd, aber dann immer deutlicher". so Ingrid Laurien, "schreibt sie aus einem christlichen Hintergrund heraus." "Ich schreibe Literatur über Ungetröstete, über Trostbedürftige, über Trostversessene", sagt Gabriele Wohmann. "Viele Menschen suchen in der Literatur nicht vordergründigen Trost, sondern sie suchen Wahrhaftigkeit und Identifikationsmöglichkeiten. Schriftstellerei und Literatur können keine Erlösung bieten, sie bieten alles mögliche andere: Interessantheit, Unterhaltung, Menschenkenntnis, sie vermitteln Genuss, Freude, Bestätigung, Identifikation... aber nichts wirklich Erlösendes, Transzendentes. Dazu ist nur die Kirche in der Lage."

In ihrem Band "Erzählen Sie mir vom Jenseits", aus dem das letzte Zitat stammt und der Gedichte, Erzählungen und Gedanken enthält, thematisiert sie die irdische Vergänglichkeit und weist auf die religiöse Dimension aller Wirklichkeit hin, für manche vielleicht überraschend, da Wohmann bisher immer betont hat, dass ihr persönliches Bekenntnis nicht in die Literatur gehöre. Denn bei Werner Bergengruen und Jochen Klepper ist ihr, nach eigenem Bekunden, das Christliche zu offenkundig. Mehr schätzt sie die Art eines John Updike.

Doch gerade bei den Themen Alter und Tod, denen sie sich in den letzten Jahren zugewandt hat, ist ihre Bindung an die christliche Religion als Voraussetzung zu einer intensiven Auseinandersetzung mit diesen gesellschaftlich immer noch stark tabuisierten Bereichen offenkundig.

Ihrer Kurzgeschichte "Ein russischer Sommer" liegt die Katastrophe von Tschernobyl zugrunde und seine Folgen für den Alltag und die Psyche der Menschen. Die Erzählerin fährt zuletzt nach Köln und sucht den Dom auf. "Damals", denkt sie, "haben die Menschen noch die richtigen Gebäude gebaut. Gott stößt nichts zu, habe ich plötzlich in der grandiosen Kälte des Mittelschiffs gewusst und bin getröstet worden."

Als Literaturfreunde von Gabriele Wohmann wissen wollten, ob sie diesen Satz ironisch gemeint habe, antwortete sie:"Im Zusammenhang mit Gott meine ich nie was ironisch. Er ist für den Menschenunfug nicht verantwortlich."


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