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Kant und die evangelische Kirche

Kants Lehre widersprach, wie wir gesehen haben, dem offiziellen Dogma. Doch die evangelische Kirche hatte und hat mit Kant sehr viel weniger Schwierigkeiten als die katholische Kirche. Das hängt nicht zuletzt mit seinem Freiheits- und Pflichtbegriff zusammen. Laut Kant weist die Existenz des allgemeinen Sittengesetzes ("Handle so..") in der menschlichen Vernunft auf eine unbedingte sittliche Freiheit hin, auf eine Wirklichkeit, die für Christen letztlich nur religiös thematisiert werden kann. Dass Kant dem Menschen ein radikal Böses zudiktierte, traf sich mit der theologischen Auffassung von der Erbsünde, "der Mensch ist verderbt von Jugend an..".

Der Münchener Theologieprofessor Jan Rohls spricht sogar von einem zeitweisen fast symbiotischen Verhältnis von evangelischer Theologie und Kants Philosophie. Dieses sei allerdings nur möglich gewesen, so Rohls, weil die Theologen lediglich die Hälfte seines Gedankengutes aufgenommen hätten und alles unberücksichtigt ließen, was ihnen nicht in den Kram passte. Denn bei Licht betrachtet, sei Kants Gottesbegriff doch recht unverbindlich, was Theologen nicht recht sein könne.

Immerhin sieht Kant in Gott eine Idee des Menschen, nicht aber ein Wesen, das außerhalb des Menschen existiert und das, was Kant Postulate nennt, sind für gläubige Christen bzw. religiöse Menschen durchweg die Gewissheiten seines Glaubens.

Was kann ich erkennen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Kant hat diese Fragen, in denen menschliches Dasein sich vollzieht, formuliert und auf seine Weise zu beantworten versucht: Die philosophischen Antworten Kants fordern zu einer eigenen Positionsbestimmung heraus. Das betrifft auch das theologische Denken. Es ist unterschiedlich stark von Kant geprägt, sei es in bewusster Abgrenzung ihm gegenüber, sei es in der Aufnahme zentraler Anliegen seiner Philosophie. Letzteres hat den Ruf begründet, Kant sei der Philosoph des Protestantismus.(Aber es gibt auch das Klischee vom Philosophen des Preußentums.)


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