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Von Integration keine Spur, diese wird auch nicht gewollt

Roths "Hiob" ist auch ein Emigrations- und Bildungsroman im Vorfeld der Katastrophe der Shoah. Der Roman illustriert die Zeit des Zerfalls der traditionellen Lebensbedingungen der Ostjuden, die Zeit der Emigration, die Zeit eines drohenden Verlustes der jüdischen Identität durch Assimilation. Wir haben es hier mit der Schilderung zweier Assimilationsprozesse zu tun. Der erste negative in Amerika zersplittert und zerstört die Familie und macht Mendel zum Hiob. Der zweite, der künstlerische Assimilationsprozess, wird als positiv, als gelungen dargestellt: der assimilierte Künstler Menuchim erringt die Anerkennung der Welt durch sein Talent und kann so seinen Vater retten. Insofern ist der Roman auch eine Auseinandersetzung mit einem der bedeutendsten Probleme des modernen Judentums. Vor allem aber schildert "Hiob" den Identitätsverlust von Ostjuden in der amerikanischen Gesellschaft. Der biblische Hiob drohte seiner Identität verlustig zu gehen, als er sich von Gott abwenden wollte, denn seine Identität wurzelte in Gott. Man kann in diesem Zusammenhang fragen, ob der Mensch, der Gott verliert oder sich von ihm lossagt, damit auch seine Identität einbüßt? (In der heutigen Zeit sagen sich viele von Gott los, von der Kirche oder von beiden und glauben, damit erst zu ihrer wahren Identität zu kommen.) Roth schildert mithin die Hiob-Situation eines modernen Menschen, seine Entwurzelung, seine Unbehaustheit in Gestalt eines Juden. Juden haben vielfach Erfahrungen, die später noch viele andere machen mussten, vorweg genommen wie Heimatverlust und Identitätsverlust, die zu den Merkmalen des 20. und womöglich auch des 21.Jahrhunderts gehören. Die Flüchtlingsscharen Ende des zweiten Krieges und die heutigen Asylbewerber, die aus ihrer Heimat vertrieben werden oder es dort nicht mehr aushalten, sprechen für sich.


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