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Krimis, die im Mittelalter spielen

In Krimis, die im Mittelalter spielen, gehen Mönche auf Verbrecherjagd: bei Ellis Peters, bei Paul Harding und, wie mittlerweile sogar Fernsehkonsumenten hinlänglich bekannt sein dürfte,in Umberto Ecos "Der Name der Rose". In Margaret Frazers Kriminalromanen verfolgt dagegen eine Klosterschwester die Spuren der Verbrecher. In den historischen Kriminalromanen von Alys Clare klärt die gewitzte und resolute Äbtissin Helewise zusammen mit Ritter Josse geheimnisvolle Morde auf. Auch in den historischen Krimis von Peter Tremayne erweisen sich Schwester Fidelma und der Mönch Eadulf bei oft schwierig gelagerten Mordfällen als gewiefte und bald auch erfahrene Ermittler, einerlei ob es sich dabei um eine Tote im Klosterbrunnen handelt, um den rätselhaften Tod eines Erzbischofs oder um den Mord an der Äbtissin Etain.

Der Autor Ulrich Zehfuss lässt auf Audio-CDS den eloquenten Advokaten aus der Zeit Ludwigs XIV., François Gayot de Pitaval (1673 bis 1743), von seinen "berühmten und interessanten Rechtsfällen" erzählen, die er seit 1734 in insgesamt zwanzig Bänden herausgegeben hat und die häufig auch in mittelalterlichen Klöstern spielen. Im "Tod

des Alchimisten" wird der Mönch Quastius Kreuzlin auf eine schwere Probe gestellt. Wir betreten mit ihm den Vorraum des Audienzraumes des Kardinals, während dumpfe Gesänge aus dem Kloster herüberdringen. Da Quastius in der Kunst der Heilkräuter wohl bewandert ist, soll er der Gehilfe von Odo von Greifenau werden, der ein Anhänger der Alchemie und ihrer dunklen Abarten ist und obendrein noch der Bruder des Kardinals. Odo entpuppt sich als geheimnisvoller, aber durchaus umgänglicher Zeitgenosse, der nachts in seinen Gewölben tief unter der Erde seinen Experimenten nachgeht. Eines Tages oder besser eines Nachts, in der "Nacht der Nächte", kurz nachdem der Kardinal bei Odo vorgefahren ist, geht alles in Flammen auf, und von Odo bleibt nur noch ein Gerippe übrig. Wer war der Täter? Am Ende gar der Kardinal?

In einer anderen Geschichte sitzt François Gayot de Pitaval, während draussen vor der Bibliothek der Schneesturm tobt, vor seinem Kamin und führt einen imaginären Besucher in die Zeit der Inquisition, in die bekanntlich Hexenverbrennungen an der Tagesordnung waren. Doch zunächst beginnt alles friedlich und harmonisch. Die Hochzeitsglocken läuten für Katharina Unterholzer und ihren Bräutigam Sibelius Fuhrmann. Kaum aber hat die Trauungszeremonie begonnen, da ertönt eine lautes "Halt" durch den Kirchenraum. Vier bewaffnete Männer haben, zusammen mit Vogt Heinrich und Curtius, dem Abt der nahe gelegenen Benediktiner-Abtei, die Kirche betreten und unterbrechen nun rüde die Zeremonie. Es kommt noch schlimmer. Aus heiterem Himmel wird das junge Brautpaar angeklagt, mit dem Antichristen im Bunde zu stehen. Beide werden abgeführt. Scheiterhaufen werden errichtet. Pfarrer Anselmo ist empört, weiß er doch, dass sein Mündel Katharina und ihr Bräutigam unschuldig sind und dass die beiden nur geopfert werden sollen, um die Macht des Abtes zu stärken. Wer weiß, wie das Ganze geendet hätte, wenn nicht das Schicksal oder sonst jemand ein wenig nachgeholfen und den Abt aus dem Weg geräumt hätte, nicht ohne Beichte des Abtes, dass er wider Katharina und ihren Bräutigam falsch Zeugnis abgelegt habe. Vielleicht hat sogar Anselmo, der tapfere Priester mit dem Herz am rechten Fleck, hier ein wenig Schicksal gespielt, wer weiß. Wider Erwarten nimmt die Geschichte auf jeden Fall ein gutes Ende, so dass der Hochzeitsfeier am nächsten Tag nichts mehr im Wege steht. Es folgen tiefsinnige Betrachtungen des Erzählers über Hexenprozesse und Machtspiele im Mittelalter, über Schuld und Wahrheit. - So viel über Krimis, die im Mittelalter spielen.

Angehörige eines geistlichen Standes haben den Kriminalisten vom Fach fraglos manches voraus. Ganz deutlich wird dies in den Geschichten von Gilbert Keith Chesterton. Sein Landpfarrer Pater Brown glaubt - wie könnte es anders sein? - an Sünde und Gnade, an Engel und Teufel und bemüht sich, nicht nur rätselhafte Fälle zu entwirren, sondern auch die überführten Schwerverbrecher zu bekehren. Weiß er doch, dass jeder Mensch zwei Möglichkeiten hat:ein Verbrecher oder ein Heiliger zu werden, und er weiß außerdem, dass sich manchmal Verbrecher zu Heiligen mausern. Denn wie sagte doch Paulus: "Wo die Sünde wuchert, ist auch die Fülle der Gnade." Pater Brown hasst wohl das Böse, da er aber die Hölle als mächtig und den Menschen als verführbar ansieht, liegen ihm Gedanken an Rache oder Verdammnis fern. "Mich wundern die Werke der Hölle nie" sagt er an einer Stelle. Um so mehr hält er von der Nächstenliebe und ist von der Wandlung des Menschen zum Guten ebenso überzeugt wie von der Güte Gottes.

Während Chesterton sein vielseitiges Werk als Kreuzzug im Dienste des Katholizismus verstand, tritt Ellis Peters in ihren Romanen als Kritikerin der festgefügten religiösen, feudalen und ständischen Ordnungen auf. Das Böse entspringt bei ihr fast immer der Habgier jener, die ohnehin schon alles besitzen. Zu diesen zählt sie ehrgeizige Kirchenmänner, intrigante Politiker und raffgierige Lehnsherren. Ihr Held, Bruder Cadfael, erweist sich in allen Situationen als Anwalt der Bedrohten und der Entrechteten. In der früheren Fernseh-Krimiserie "Schwarz greift ein" wiederum

kümmerte sich der katholische Pfarrer Henning Schwarz nicht nur um das Seelenheil seiner Schäfchen in der Frankfurter Gemeinde, sondern auch um das Seelenheil gestrauchelter Menschen sowie um die Aufdeckung dunkler Machenschaften in den oberen Etagen, wozu ihm beinahe jedes Mittel recht war. Zugute kam ihm dabei seine frühere Tätigkeit bei der Polizei. Da habe er versucht, meint er, die Welt etwas gerechter zu gestalten. Das sei ihm damals nicht gelungen. Daher sei er nun bestrebt, schon im Vorraum des Verbrechens tätig zu werden, um Untaten zu verhindern.

Das Kloster als Tatort erfreut sich überhaupt großer Beliebtheit - siehe Eco. In Phyllis D.James "Der Beigeschmack des Todes" werden in der Sakristei einer Londoner Kirche zwei Menschen ermordet. In dem vor einigen Jahren ausgestrahlten Fernsehkrimi "Heilig Blut" wird eine schwangere Nonne im Klostergarten tot aufgefunden. Verstrickt in diesen Vorfall ist die Äbtissin des Klosters, gespielt von Maria Schell. Bei einem sonntäglichen Tatort im Frühjahr 2001 geschah ein Mord in der Stuttgarter Stiftskirche. Zeuge war ein Sängerknabe, das Opfer die wenig beliebte Managerin des Knabenchores. Viele waren verdächtig, selbst eine Vikarin und einer junger Pastor, weil beide es mit der Einhaltung der Gebote nicht allzu genau nahmen. Aber zur Beruhigung der Leser sei verraten: gemordet haben sie denn doch nicht. Ein besonderer Clou war das kurze Auftreten der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin bei einem Kirchenkonzert des Knabenchors. wo sie, wie in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen war, nicht nur glänzend hinpasste, sondern auch genau das spielte, "was sie ist: die Politikerin aus dem pietistischen Milieu."


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