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Juden in Rheinland-Pfalz

Geschichte und Gegenwart

Bereits 1432 legte der Rat der Stadt Mainz in einem Gerichtsverfahren eine Urkunde vor, aus der hervorging, dass "die Juden zu Mentz gewesen sind, nämlich 500 Jahre und länger, bevor das Stift zu Mentz gebaut worden sei." Wenn diese Aussage stimmt, dann hätte die jüdische Geschichte in Mainz bereits im ersten vorchristlichen Jahrhundert begonnen. So unsicher die Angaben auch sein mögen, so ist eins doch gewiss: Die Geschichte der Juden in Deutschland ist älter als die Geschichte der Kirche. Gewiss ist auch, dass der Grundstein für das weitgehend gute Verhältnis zwischen Ju http://home.t-online.de/home/sollen-wir/#den und Nichtjuden in der heidnischen Ära der Kelten und Germanen gelegt wurde. Selbst christliche Predigten gegen die Juden vermochten bis zu den Kreuzzügen das gute Einvernehmen von Juden und Christen kaum zu trüben. Wenn Regino von Prüm einem Mainzer Konzil Ende des 9.Jahrhunderts das Dekret zuschrieb, dass diejenigen, die aus Hass oder Leidenschaft einen Heiden oder Juden umbringen, als Mörder zu behandeln seien, so beweist dies, dass die Straflosigkeit von Übergriffen gegenüber Nichtchristen zu Beginn des Christentums keineswegs selbstverständlich war.

In noch fernere Zeiten als die jüdische Geschichte in Mainz reicht, jedenfalls der Sage nach, die jüdische Geschichte in Worms zurück. Immerhin waren Wormser Juden einst fest davon überzeugt, dass ihre Vorfahren schon lange vor Christi Geburt in Worms ansässig waren. Folgerichtig sei dann etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, nach der Rückkehr der Kinder Israels aus der Babylonischen Gefangenschaft, die Aufforderung Ezras auch an die Wormser Juden ergangen, in das Stammland am Jordan zurückzuwandern. Doch die Wormser Juden lehnten, laut Überlieferung, dieses Ansinnen ab, weil sie, so ihre Begründung, "am Rhein ein neues Jerusalem gefunden hätten."

Wie dem auch sei, sicher ist, dass mit den Römern, ähnlich wie in Köln, Juden auch in die Gebiete um Mainz, Speyer, Worms und Trier gekommen waren, so dass schon im 4.Jahrhundert in einem großen Teil der heutigen Rheinpfalz jüdische Gemeinden existiert haben dürften. Dafür sprechen archäologische Funde aus dem 4. oder 5.Jahrhundert. Aber erst die überlieferten Dokumente des Mainzer Konzils Ende des 9.Jahrhunderts lassen zweifelsfrei auf das Vorhandensein einer jüdischer Gemeinde in Mainz spätestens seit dieser Zeit schließen. In Trier wiederum belegen Dokumente, die den Tod von Erzbischof Eberhard betreffen, die Existenz einer jüdischen Gemeinde für das Jahr 1066. Der Erzbischof hatte nämlich versucht, die Juden gewaltsam zu taufen. Doch als er das Taufwasser weihte, starb er am Altar. Statt darin einen Fingerzeig Gottes zu sehen, wie es in der damaligen Zeit üblich war, bezichtigte man die Juden der Zauberei und machte sie für den Tod des Erzbischofs verantwortlich. Von Koblenz wiederum wissen wir, dass dort um 1160 eine große jüdische Gemeinde vorhanden war. Der jüdische Weltreisende Benjamin von Tudela hat sie genau beschrieben.

Die erste schriftliche Erwähnung der Wormser Juden verdanken wir übrigens dem Mainzer Gelehrten Gerschom ben Jehuda (960-1040). Er berichtete über Geldgeschäfte von Mainzer und Wormser Juden auf der Kölner Messe.

Zentren jüdischer Gelehrsamkeit

Die Blütezeit des jüdischen Mainz begann mit der aus Lucca zugewanderten Familie Kalonymos. Moses der Ältere - er lebte um 980 und ist der Begründer der deutschen Kalonymos-Familie - brachte die palästinensisch-italienische Tradition der liturgischen Dichtung nach Deutschland. Auf ihn folgten der Gesetzeslehrer und Dichter Meschullam ben Kalonymos (sein Grabstein aus dem Jahr 1020 ist der älteste in Mainz) und der durch seine Festgesänge bekannt gewordene Rabbi Simon ben Isaak ben Abun. Unter dem Einfluss dieser Familie, die die Geschicke der Mainzer Gemeinde viele Jahrzehnte mitbestimmte, wurde Mainz ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, insbesondere jüdischer Rechts- und Gesetzeskunde. Ende des 10.Jahrhunderts gründeten die Rabbinen Jehuda ben Meir, genannt Leontin, und Gerschom ben Jehuda in Mainz eine Jeschiwa, eine talmudische Hochschule von überregionaler Bedeutung, in der es nach einem Bericht Jakob Möllns auch allerhand Geselligkeit gegeben haben soll.1220 schlossen sich die Rabbiner und Vorsteher der jüdischen Gemeinden von Speyer, Worms und Mainz zu einem Bündnis zusammen. Die drei Talmudschulen waren befugt, über die deutschen Judengemeinden zu Gericht zu sitzen, und, falls erforderlich, den Bann zu verhängen.

Seit Mitte des 11.Jahrhunderts ist auch Worms über die deutschen Grenzen hinaus als Mittelpunkt jüdischer Kultur und Wissenschaft bekannt geworden. Bekannte Wormser Juden sind Meir ben Isaak, Jakob ben Jakar, Isaak ha-Levi und der 1040 in Troyes geborene Salomo ben Isaak, genannt Raschi. Die jüdischen Gemeinden am Rhein waren vom 11.bis zum 13.Jahrhundert tonangebend in Europa. Bis weit in den Osten hinein wurden die Talmudauslegungen, Rechtsgutachten, Zusammenstellungen lokaler Riten oder synagogaler Gesänge jüdischer Gelehrter aus Worms, Mainz und Speyer beachtet.

Die gute Beziehung, die zwischen den Mainzer Juden und dem kaiserlichen Hof bestand - um 982 soll ein Angehöriger der Familie Kalonymos Kaiser Otto II. bei einer Schlacht das Leben gerettet haben -, wurde unterbrochen, als König Heinrich II. (1002-1024) in Mainz Zwangstaufen anordnete und die nicht bekehrungswilligen Juden aus der Stadt verwies, möglicherweise als Antwort auf den Übertritt des Geistlichen Wenzelin zum Judentum. Wenn auch die Juden bald darauf einen Widerruf der königlichen Maßnahmen erreichen konnten, so wird aus diesen Ereignissen doch deutlich, dass das ungestörte friedliche Nebeneinanderleben von Christen und Juden schon früh auf unsicherem Boden stand und jederzeit auseinander brechen konnte.

Die Speyerer Judengemeinde konsolidierte sich 1084 dank einer Initiative des damaligen Bischofs Rüdiger Hutzmann oder Huozmann. Er siedelte in diesem Jahr in dem Dorf Altspeyer Juden an, die aus Furcht vor Verfolgungen aus dem durch eine Feuersbrunst zerstörten Mainz geflohen waren. "Da ich aus dem Flecken Speyer eine Stadt machen wollte", erklärte der Bischof, habe er durch günstige Gesetze die Juden zur Ansiedlung veranlasst. Zudem sei es ihm auch darum gegangen "die Ehre unseres Ortes zu vergrößern". Der Bischof stattete die Juden mit einem Schutzbrief aus und sicherte ihnen Selbstverwaltungsrechte und Handelsfreiheit innerhalb der Stadt zu sowie das Recht zur ungehinderten Religionsausübung. Neben der Ausübung des Handels wurde ihnen außerdem uneingeschränkt der Wechsel von Gold und Silber sowie der Verkauf von nichtkoscherem Fleisch an Christen gestattet. Sechs Jahre später, im Jahr 1090, wurden diese Rechte von Kaiser Heinrich IV. ausdrücklich bestätigt und erweitert. Nach dem Willen des Königs sollten die Juden frei sein von Verfolgungen und Störungen in ihrem beruflichen und religiösen Leben. Jede Zwangstaufe, jede Folterung zur Erpressung von Geständnissen wurde verboten. Später ging der Schutz für Juden vom Kaiser an den Bischof über und dann an die Stadt. Als "Kammerknechte" gehörten Juden mit Leib und Gut dem jeweiligen Landesherrn und waren verpflichtet, für ihren Schutz zusätzlich eine besondere Abgabe zu zahlen.

Die Gefahr zu spät erkannt

Zu Zeiten Heinrichs IV. fühlten sich die Juden so sicher - ähnlich wie Jahrhunderte später viele ihrer Nachfahren zu Beginn des Dritten Reiches -, dass sie ihr Leben nicht in Gefahr sahen, selbst dann nicht, als zu Beginn des Ersten Kreuzzuges die Nachricht von der Verfolgung der Juden in Rouen und Metz zu ihnen drang.

Mit den Kreuzzügen von 1096 bis 1099 kam es dann auch in der heutigen Rheinpfalz, in Mainz, Speyer und Worms, zu einem regelrechtem Abschlachten der Juden und zur Auslöschung ihrer Gemeinden. Der Vorsteher der Mainzer Judengemeinde aus der Familie Kalonymus schickte Boten an Heinrich IV.,der sich gerade in Italien aufhielt, und erwirkte einen kaiserlichen Erlass,der allen geistlichen und weltlichen Fürsten auferlegte, die Juden zu schützen. Kaiser Heinrich IV., der bereits bei der Erwähnung, jemand wolle den Juden Böses zufügen, in Zorn geraten sein soll, erlaubte den zwangskonvertierten Juden zu ihrem Judentum zurückzukehren - trotz der Proteste des Papstes.

Doch nicht einmal die Intervention Heinrichs IV. vermochte den Gewalttätigkeiten der Kreuzfahrer auf die Dauer Einhalt zu gebieten. Da die Übermacht der mit der Bürgerschaft vereinigten Kreuzfahrerbanden groß war, gab es für die Juden zuletzt nur noch die Alternative: Tod oder Taufe. In Mainz sollen 1100 Juden ihre Angehörigen und sich getötet haben, um der Taufe zu entgehen. In Worms verloren etwa 800 Juden ihr Leben. Die Juden von Mainz konnten sich zunächst, dank des energischen Eingreifens von Bischof Johann I. (1090-1104), erfolgreich behaupten. Der Erzbischof verteilte sie auf sieben Orte der Umgebung. Die jüdischen Chronisten waren des Lobes voll für den Bischof Johann von Speyer. "Denn er war ein Rechtschaffener unter den Gojim und der Allgegenwärtige gab ihm das Verdienst unserer Befreiung."

Ähnlich wie in Mainz,Worms und Speyer erging es den Juden in Koblenz, in Trier und in den übrigen Moselorten. Anfangs erklärte sich auch der Bischof von Trier bereit, für Juden sein Leben zu riskieren. Dann jedoch versagte er ihnen seinen Schutz. "Euer Gott will euch jetzt nicht mehr retten, wie er es in früheren Tagen getan hat", meinte er. Die Juden waren fassungslos über den Wortbruch des Bischofs, aber auch über die Veränderung jener Menschen, "die uns nahe und uns bekannt waren". Wie in unserem Jahrhundert zur Zeit des Nationalsozialismus wurden die Juden von ihren Nachbarn von einem Tag auf den anderen schmählich im Stich gelassen. In Trier entschlossen sich viele zur Taufe und folgten damit dem Beispiel ihres Rabbiners Micheas, der erklärt hatte, "es sei besser Christ zu sein, als Tag und Nacht für sein Leben zittern zu müssen". So wurde ein beträchtlicher Teil der Gemeinde der Stadt Trier über die Wirren des Jahres 1096 hinweggerettet.

Jüdisches Leben war immer gefährdet

Nicht nur die Kreuzzüge, auch grundlose Verdächtigungen und Anklagen, die auf absurden Legenden beruhten, wie Hostienschändung und Ritualmord, gefährdeten immer wieder das Leben von Juden. Bis in das Jahr 1891 zieht sich eine Kette von etwa 300 Ritualmord-Beschuldigungen, die zu Verfolgungen und Verurteilungen Unschuldiger führten. In Koblenz und in anderen Rheinorten kam es im 13.Jahrhundert im Zusammenhang mit der "Ritualmordlegende" um den "Guten Werner von Bacharach" zu Pogromen. Man munkelte, Juden hätten den Knaben Werner zu Tode gepeinigt. Daraufhin wurden 26 Juden aus Bacharach ohne Gerichtsverfahren umgebracht. Zum Grabe des heiligen Werner strömten Scharen von Glaubensseligen. Die jüdischen Gemeinden wandten sich an den Kaiser Rudolf von Habsburg (1218 -1291). Der Kaiser, der von der Grundlosigkeit der Beschuldigung überzeugt war, legte den Mördern der Juden eine Geldbuße auf und befahl, die Leiche des Werner zu verbrennen. Seine Anordnungen wurden nicht beachtet, im Gegenteil: man errichtete dem Toten zu Ehren eine Kapelle und feierte später in der Diözese Trier sogar ein Fest des heiligen Werner - bis (man höre und staune!) zum Jahr 1963.

Zur Zeit Rudolfs machten in Worms zwei Persönlichkeiten von sich reden: der Rabbi Meir von Rothenburg und Alexander ben Salomo, genannt Süßkind Wimpfen. Rabbi Meir, geboren etwa 1220 zu Worms, war eine Autorität auf theologischem und juristischem Gebiet. Mit zahlreichen Juden wollte er 1286 nach Palästina auswandern. Ihr Weggang hätte für die kaiserliche Schatulle einen großen Einnahmeverlust bedeutet. Meir, den man für den Initiator dieser Aktion hielt, wurde daraufhin, auf Veranlassung des Kaisers, in Haft genommen. Man hoffte, auf diese Weise von den Juden Geld zu erpressen. Der Rabbi indessen bedrohte seine Juden mit dem Bann, falls sie zahlten. Sieben Jahre bis zu seinem Tod am 27.April 1293, blieb Rabbi Meir in Ensisheim im Oberelsass in Haft. Nach seinem Tod wurde sein Leichnam zurückgehalten, weil die Kaiserlichen auf die Pietät der Juden und ein möglichst hohes Lösegeld spekulierten. Erst vierzehn Jahre später, 1307, konnte der jüdische Kaufmann Alexander ben Saloo Wimpfen aus Frankfurt, unter Aufbietung seines gesamten Vermögens, den Christen die Leiche abkaufen. Dafür erbat er sich die Gunst, neben Meir in Worms bestattet zu werden. So geschah es, als Wimpfen im selben Jahr starb. Heute liegen beide nebeneinander auf dem Judenfriedhof von Worms.

In den Jahren 1336/37 zogen vom Elsass kommend, sogenannte Judenschläger zum Mittelrhein. Unter der Leitung zweier Edelleute, die sich "Könige Armleder" nannten, beraubten und ermordeten sie zahlreiche Juden im gesamten Rheintal, in Andernach, Bacharach, Oberwesel, Boppard, Koblenz und Montabaur. Weitere Vernichtungs- und Vertreibungswellen brachte 1349 der Ausbruch der Pest, bei dem sich sofort das Gerücht verbreitete, die Juden hätten die Pest aus dem Orient eingeschleppt.

Wieder wurden viele jüdische Gemeinden fast restlos vernichtet. In Worms kam die jüdische Gemeinde dem Mob zuvor. Um dem Massaker zu entgehen, zündeten die Wormser Juden ihre Häuser an und starben so durch eigene Hand, "zu Ehren des geheiligten Namens".

Die Geschichte einzelner jüdischer Gemeinden

Später erfolgten großangelegte Rückführungsaktionen. Juden durften sich wieder in den kurmainzischen Städten ansiedeln, 1353 in Speyer und Worms und 1356 in Mainz. Auch in Andernach ließen sich erneut Juden nieder. Die Kleinstadt am Rhein ging gewissermaßen ein Zweckbündnis mit den vorwiegend aus dem Kölner Raum zugewanderten Juden ein. Jene lebten vom Kredithandel, den sie vor allem in den großen Städten abwickelten. Die Stadt Andernach wiederum benötigte finanzielle Unterstützung im Kampf um ihre Eigenständigkeit und den damit verbundenen kostspieligen Auseinandersetzungen mit den Kölner Landesherren. Die Andernacher wurden jedoch nicht nur von den eigenen Juden, sondern auch von den Koblenzer Juden unterstützt, die zu regelrechten Bankiers der Stadt Andernach aufstiegen. Der wohl bedeutendste Koblenzer Kreditgeber des 14. Jahrhunderts war bemerkenswerterweise eine Frau, namens Reynette. Als Geschäftsfrau führte sie ein eigenes Siegel und war so bekannt, dass sich ihr zweiter Mann lediglich als "Reynettes Ehemann" bezeichnete.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Trier - ihre Blütezeit fiel in das 13. und 14.Jahrhundert - war eng verknüpft mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Koblenz, der zweiten Residenzstadt des Kurstaates Trier, die sich aufgrund ihrer guten Verkehrslage zu einem mittelalterlichen Handelszentrum entwickelt hatte. In Trier lebten etwa dreihundert Juden im Ghetto. Sie waren Geldverleiher, Händler, Apotheker und Ärzte. Während die Trierer Juden im entlegeneren Moseltal noch in relativer Ruhe lebten, zwangen Pogrome und Vertreibungen Ende des 14. und Anfang des 15.Jahrhunderts die Koblenzer Juden, in die umliegenden Ortschaften zu ziehen. Ihre rigide Ausweisung hat freilich den Erzbischof bald gereut. Denn die Vertriebenen hinterließen große Lücken im Wirtschaftsgefüge. Da die hohen Steuern, die der Erzbischof den Juden auferlegt hatte, nun wegfielen, fehlten wichtige Einnahmen. Aber auch die Juden in Trier, Speyer, Mainz und anderen Städten in der heutigen Rheinpfalz entgingen auf die Dauer den Ausweisungen nicht. Erst zu Beginn zu 17.Jahrhunderts durften ihre Nachfahren in die alten Heimatorte endgültig zurückkehren.

In Worms wiederum hat die im 15. und 16.Jahrhundert verhältnismäßig starke Judengemeinde die Verfolgungswellen in diesen Jahrhunderten ziemlich unbeschadet überstanden, auch den Aufstand, den Bauern aus dem Umland von Worms und von Niederadligen, die bei Wormser Juden verschuldet waren, 1431 gegen sie angezettelt hatten. 1524 gab die Stadt Worms der dort ansässigen Judenschaft erstmals ein aus 20 Artikeln bestehendes sogenanntes Gedinge, das 1541 mit unwesentlichen Änderungen bestätigt wurde. 1548 erhielten die Wormser Juden eine endgültige umfassende Judenordnung. Anfang des 17.Jahrhunderts entstanden in der Reichsstadt Worms Bürgerunruhen aus einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der patrizischen Stadtregierung heraus. Die Empörung wurde auf die Judengemeinde projiziert, der man unrechtmäßige Zusammenarbeit mit dem Patriziat vorwarf. Da der Rat in kaiserlichem Auftrag zum Schutz der Juden verpflichtet war, schien er in den Augen der Zünfte deren unrechtes Tun zu unterstützen. Man beschwerte sich beim Rat über erhöhte Zinssätze der Juden, ohne Gehör zu finden. Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz(1610-32), der spätere "Winterkönig" in Böhmen, versuchte erfolglos als Schiedsrichter zwischen den Parteien zu vermitteln. Am Ostersonntag 1615 führte der seit 1613 schwelende Konflikt zu Gewalttätigkeiten und Plünderungsaktionen gegenüber Juden. Sie wurden über den Rhein vertrieben. Die Judengasse wurde teilweise zerstört, die Synagoge erheblich beschädigt und der Friedhof geschändet. Doch die Vertreibung der Juden rief nun auch den Kaiser als obersten Schutzherrn auf den Plan. Er gebot der Bürgerschaft, den Juden die Stadttore wieder zu öffnen, sie wieder in ihre Nutzungsanteile an der städtischen Allmende zuzulassen, den gegen sie begonnen Strafprozess niederzuschlagen und die abgenommenen Pfandstücke zurückzuerstatten. Nach langem Tauziehen kam ein Vergleich zwischen dem Rat und der Judenschaft zustande. Einige Jahren später durften die Juden in die Stadt zurückkehren und ihre Synagoge erneuern. Fast tausend Jahre lang waren die Wormser Juden, aber nicht nur sie, der wirtschaftlichen Habgier und religiösen Intoleranz ihrer christlichen "Beschützer" oder dem Neid und Judenhass der Bevölkerung ausgesetzt gewesen. Viermal wurden sie förmlich aus der Stadt gejagt.

Besser erging es den Juden in der im 17.Jahrhundert entstandenen Residenzstadt Neuwied. Denn hier hatte der reformfreudige Graf die Anssiedlungswilligen 1661 in die Stadt gelockt nach dem Motto: "Sie seyen, weß Standts oder Religion Sie wollen." Ein außergewöhnliches Postulat in einer Zeit, in der in anderen rheinischen Territorien die Juden diskriminierenden Rechtsordnungen unterworfen waren. Freilich wurden auch hier jüdische Handwerker, wie überall, nicht in die Innungen oder Zünfte aufgenommen.

In Mainz bemühte man sich Ende des 18.Jahrhunderts um die Eingliederung der Juden in den Untertanenverband. Mit dem Regierungsantritt des 1774 gewählten Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal(1774-1802) kam die Aufklärung zum Durchbruch. Erthal führte verschiedene Reformen zugunsten der Juden durch und veranlasste die Aufhebung von Bildungsschranken (offensichtlich war ihm hierin Österreich ein Vorbild). 1784 erteilte er den Juden seines Kurstaates die Erlaubnis zum Erwerb und zur Bebauung landwirtschaftlicher Nutzflächen und gewährte ihnen die rechtliche Gleichstellung. Erthals Beschäftigungsprojekt scheiterte jedoch. Sowohl die Ressentiments der christlichen Bevölkerung als auch das Beharrungsvermögen der Juden auf ihren Traditionen standen einer über die formale rechtliche Gleichstellung hinausgehenden Emanzipation entgegen. Die Eroberung weiter Teile Deutschlands durch die Franzosen seit 1794 beendete schließlich die Herrschaft der Kurfürsten im Rheinland und bescherte den dort lebenden Juden 1792/93, die vollen Bürgerrechte.

Jüdisches Leben in der Eifel und in der Pfalz

Seit dem Spätmittelalter ist jüdisches Leben auch in der Eifelstadt Wittlich dokumentiert. Am 4.April 1309 schreibt der Pfarrer Richard zu Großlitten in seinem Testament, er schulde dem Juden Moses aus Wittlich sechs Trier Soldi. Der Trier Erzbischof Balduin von Luxemburg (1307-1354) siedelte in Wittlich und anderen Amtsstädten jüdische Geldverleiher an, um den Finanzmarkt seines Erzstiftes zu stärken. Er schützte sie allerdings nicht vor Anschuldigungen, Brunnen vergiftet und damit die Pest verursacht zu haben. Bei den Verfolgungen im Jahre 1349 wurden alle Mitglieder der kleinen Wittlicher Gemeinde ermordet. Die zweite Wittlicher jüdische Gemeinde entstand im 17.Jahrhundert. Etliche Juden kamen aus Böhmen hierher. Nach der französischen Revolution (1789) begann auch in Wittlich die allmähliche Gleichstellung der Juden mit den anderen Bürgern. Im 19.Jahrhundert nahm die Zahl der Gemeindemitglieder rasch zu. Unter dem Vorsitz des wohlhabenden Kaufmanns Isaak Frank erbauten sie von 1908 bis 1910 ihre erste eigene Synagoge und verfügten über eine eigene Schule. Selbst das kleine Bausendorf, direkt neben Wittlich gelegen, hatte eine kleine eigenständige Synagogengemeinde.

Die Entwicklung der jüdischen Gemeinden zeigt im großen und ganzen vom 18.Jahrhundert an ein positives Bild, allerdings mit gewissen Verschiebungen vom Land nach den Städten. Viele Juden hatten einen beträchtlichen Anteil an der Erschließung und Entwicklung des rheinischen Weinhandels, wie etwa in Langenlosheim an der Nahe. Die meisten Gemeinden im Rhein und Moselland waren liberal, ohne reformistisch zu sein, abgesehen von kleinen orthodoxen Gruppierungen in den Großstädten, die dann eigene Gemeindezentren bildeten.

In ähnlicher Weise wie die Gesamtbevölkerung wuchs auch die 1854 gegründete jüdische Gemeinde Ludwigshafens kontinuierlich an. 1933 zählte sie 1.070 Mitglieder und ließ damit zumindest quantitativ alle anderen israelitischen Gemeinden der Pfalz weit hinter sich. Sie konnte auf keine historisch gewachsene Tradition zurückblicken und nahm als einzig urban geprägte Gemeinde eine Sonderstellung innerhalb des pfälzischen Landjudentums ein. Für das liberale Klima der Pfalz und der jungen Stadt, spricht, dass Max Lippmann, der Inhaber der "königlichen Salzniederlage" und Gründer eines Eisen- und Farbwarendetailgeschäfts ab 1860 zwei Wahlperioden lang dem Stadtrat angehörte.

In der Pfalz haben im Laufe der Jahrhunderte fast in jedem Dorf und in jeder Stadt Juden gewohnt. Im 19.Jahrhundert existierten in über hundert Orten jüdische Kultusgemeinden mit Synagogen und Betstuben, Friedhöfen, Schulen und Tauchbädern. Fast drei Prozent der Pfälzer waren Mitte des vorigen Jahrhunderts jüdischen Glaubens. Juden in der Pfalz waren keine "exotischen Erscheinungen" wie heute, da die meisten Leute persönlich keine Juden kennen, sondern ein selbstverständlicher Teil pfälzischen Lebens und pfälzischer Kultur. Trotz der im 19.Jahrhundert wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage einsetzenden Massenauswanderungen in die USA und dem Wegzug in Großstädte wie Mannheim und Frankfurt lebten zu Beginn der Nazizeit noch 6487 Juden in der Pfalz, die in den vier Rabbinatsbezirken Frankenthal, Kaiserslautern, Landau und Zweibrücken und in 72 Kultusgemeinden organisiert waren.

Eindringlicher als irgendwo sonst in der Pfalz und vielleicht gar in Deutschland zeugen in Edenkoben Steuerlisten und Gerichtsprotokolle vom jüdischen Leben und der oft schwierigen Koexistenz mit der größtenteils protestantischen Bevölkerung in dem kurpfälzischen Winzerstädtchen. Nicht privat kam man sich näher, sondern durch gemeinsame Geschäftsbeziehungen. Beide Seiten waren aufeinander angewiesen. Keine hat Reichtümer aufhäufen können. Steuerlisten aus der Mitte des 18.Jahrhunderts belegen, dass "75 Prozent der Edenkobener Judenfamilien in der Kategorie der Minimal- oder Marginalexistenzen einzureihen" waren.

Während das 19.Jahrhundert für die rechtliche Stellung der Juden in der zwischenzeitlich französischen und seit 1818 bayerischen Pfalz entscheidende Fortschritte brachte, änderte sich hier die Gewerbestruktur kaum. Versuche des fortschrittlichen Gemeindevorstehers Ische Isaac in Edenkoben, Juden in Handwerk und Landwirtschaft zu integrieren, scheiterten am Unwillen der mehrheitlich orthodoxen Edenkobener Gemeinde. Schließlich konnte Isaac mit Unterstützung des Bürgermeisters durchsetzen, dass an Stelle des traditionellen "Cheder" eine Elementarschule trat, in der neben Hebräisch und den Religionsgesetzen auch das Wissen der Zeit vermittelt wurde. Schon Mitte des 19.Jahrhunderts galt die Edenkobener Gemeinde als eine der fortschrittlichsten der Pfalz, deren Synagogenordnung, die den Gottesdienst äußerlich an den protestantisch anzugleichen suchte, vorbildhaft wurde. Anfang unseres Jahrhunderts war der Assimilierungsprozess so weit fortgeschritten, dass die Edenkobener Juden - sicher auch unter dem Einfluss des positivistischen Zeitgeistes - ihren Glauben kaum noch praktizierten.

Im Fürstentum Birkenfeld, das seit 1817 in Personalunion mit dem Großherzogtum Oldenburg verbunden war, genossen die jüdischen Bürger dank der Weitsicht ihres Großherzogs die Vorzüge der völligen staatsbürgerlichen Emanzipation. Die Verfassung für das Großherzogtum Oldenburg vom 18.Februar 1849 gestand jedem Bürger das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit zu. Das Fürstentum Birkenfeld war neben Luxemburg das einzige Land des Deutschen Bundes, das die Integration der Juden in die bürgerliche Gesellschaft nicht durch Gesetze behinderte. An diesem Zustand hat sich bis 1933 nichts mehr geändert. Kleinere und mittelgroße jüdische Gemeinden gab es auch in der südlichen Pfalz in Albersweiler, Essingen, Ingenheim, Haßloch und Rülzheim. 1931 lebten in Ludwigshafen 1400 Juden, unter ihnen etwa 600 "Ostjuden". Das waren ungefähr zwei Drittel aller in die Pfalz eingewanderten Ostjuden. Im Laufe der Zeit haben zahlreiche Wörtern hebräischen Ursprungs und jiddische Redensarten die pfälzische Mundart bereichert und die Pfälzer Speisekarte um den Mohnzopf und die Koscher, eine Rindswurst, vergrößert. Trotz massiver Verfolgungen und Vertreibungen während des Mittelalters und der frühen Neuzeit haben sich "eine ganze Masse von Wörtern zum Teil hebräischen Ursprungs" schreibt der Sprachwissenschaftler August Becker schon 1858, "in die Volkssprach eingeschmuggelt."

Wie integriert waren die Juden wirklich?

Heimatforscher behaupten häufig, dass Juden in ihren Pfälzer Heimatorten Ende des vorigen und Anfangs unseres Jahrhunderts völlig integriert gewesen seien. Heute zweifelt man jedoch dran, denn wenn dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, dann hätte die NSDAP, deren programmatisches Standbein der Antisemitismus war, in manchen Orten bei den Reichstagswahlen des Jahres 1932 nicht über 50% und bei den Märzwahlen 1933 gar 55% der Stimmen erhalten können. Die Entsolidarisierung mit den jüdischen Nachbarn ging jedenfalls schneller vonstatten als ihre Integration Jahrhunderte zuvor. Nicht selten ging die Drangsalierung der Juden weit über das von "oben" verordnete Maß hinaus. Bereits vor dem Boykott vom 1.April 1933 gab es in vielen pfälzischen Orten "Aktionen" gegen jüdische Geschäfte und Verhaftungen jüdischer Bürger. In der sogenannten Bürckel-Aktion (benannt nach dem damaligen Gauleiter der Region) wurden 1940 825 pfälzische Juden in die Lager Vichy-Frankreichs verschleppt. Mit diesem Tage endete auch die jüdische Geschichte zahlreicher Pfälzer Gemeinden.

In der Pfalz, gemeint ist der vormalige bayerische Regierungsbezirk Pfalz, lebten vor 1933 schätzungsweise 7.500 Juden in etwa fünfundsechzig Gemeinden. 1988 waren vor dem Zuzug der russischen Juden in dem, nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstandenen Bundesland Rheinland-Pfalz etwa 460 Juden registriert, von denen höchstens ein Viertel auf das Gebiet der ehemaligen Pfalz entfiel.

Zahlreiche Friedhöfe und wenige jüdische Gemeinden

Viele der einst blühenden jüdischen Gemeinde sind verschwunden: in Oberwesel, in Edenkoben, in Speyer, in Worms, an der Mosel und in Wittlich, um nur einige zu nennen. In Bingen und in Zeltingen beispielsweise künden von der Geschichte der jüdischen Gemeinden nur noch die Grabsteine auf den Friedhöfen. Eine kleine schöne Synagoge findet man heute noch in Schweich. In den kleineren Orten an der Mosel wurden die Synagogen wurden hier kaum zerstört.(Eine Ausnahme bildet allerdings Cochem.) Viele hat man in Wohnhäuser umgewandelt. Heute noch sprechen ältere Dorfbewohner mit großer Hochachtung von ihren ehemaligen jüdischen Nachbarn, von hilfsbereiten jüdischen Ärzten, Vieh- oder Weinhändler. Manch einer hat den Bauern mitunter für ihr Vieh mehr Geld gegeben, als die Tiere wert waren. Aber ohne Schatten verlief auch hier das jüdische Leben nicht. Der kleine Ort Kinheim zwischen Bernkastel und Traben-Trarbach hatte keine Juden, wohl aber eine heute noch existierende Judengasse, die für die Juden bestimmt war, die das das Dorf durchquerten. Selbst in den Weinbergen durften Juden nur bestimmte Wege benutzen.

Die meisten Juden sind rechtzeitig ausgewandert, erzählt man sich. Einige kehrten als der Krieg zu Ende war, in die alte Heimat zurück, nicht selten in amerikanischer Uniform. Einer hatte Rache geschworen, aber als er das Elend der einfachen Leute sah, die nun wieder ganz von vorne beginnen musste, erkannte er, dass er damit die eigentlich Schuldigen nicht treffen würde.

An anderen Orten, an denen heute keine Juden mehr leben, hat man die zerstörten Synagogen in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder aufgebaut und in Gedenkstätten umgewandelt, zum Beispiel in Worms und in Wittlich. Die in den letzten Jahren vorbildlich wieder restaurierte Synagoge in Wittlich war im Krieg Kriegsgefangenenlager für französische Häftlinge. Von den annähernd 300 jüdischen Wittlichern kehrte, nachdem die Schreckensherrschaft der Nazis vorbei war, niemand zurück. Jeder dritte Wittlicher Jude starb in einem Konzentrationslager.

In Worms, deren jüdische Gemeinde bei Hitlers Machtantritt schon fast tausend Jahre bestanden und in dem verhängnisvollen Jahr 1933 noch 1100 jüdische Bürger gezählt hatte, kann der Besucher heute wieder durch die vorbildlich sanierte Judengasse wandeln und Europas ältesten jüdischen Friedhof besuchen.

In dem im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg gelegenen Freudenburg an der Saar wusste lange Zeit niemand mehr, dass hier einmal eine jüdische Gemeinde bestanden hatte. Nur einmal noch -?im Jahr 1971 - wurde hier auf dem jüdischen Friedhof jemand begraben: Isidor Kahn. Er war 1887 in Freudenburg geboren worden, hatte im Versteck die Nazizeit überlebt und war 1966 zurückgekehrt, um in seinem Heimatdorf zu sterben. So wie in Freudenburg ist an auch anderen Orten die jüdische Geschichte in der Region weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen, nicht zuletzt auch deshalb weil nach 1945 Desinteresse und Unwissenheit zum weiteren Verschwinden von Überresten pfälzisch-jüdischer Kultur führten, die die Nazizeit überdauert hatten.

In den größeren Städten wie in Mainz, Trier, Koblenz wurde nach 1945 das jüdische Gemeindeleben im bescheidenen Rahmen wieder neu aufgebaut. Auch Bad Kreuznach hat heute wieder eine kleine Gemeinde. In Neustadt an der Weinstraße wurde 1960 zwar ein jüdisches Elternheim erbaut. Da aber 1987 nur noch acht ältere Menschen dort ihren Lebensabend verbrachten, wurde das Heim inzwischen geschlossen. Auch die dort untergebrachte Synagoge musste aufgegeben werden. Gegenwärtig gibt es nur die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt. Die Synagoge dieser Gemeinde befindet sich in Kaiserslautern.

Am 1.1.1992 gehörten der Kultusgemeinde der Rheinpfalz 72 Mitglieder an. Zum gleichen Zeitpunkt verwaltete und betreute die Gemeinde 83 jüdische Friedhöfe in der Pfalz.

Nach Koblenz, in dessen Bezirk 1925 noch 709 Juden gemeldet waren und wo es im Jahre 1816 sogar 36 jüdische Schulen mit 37 Lehrern und 571 Schülern gegeben hatte, kehrte nur ein Koblenzer Jude wieder zurück, um nach vier Jahren wieder auszuwandern. 1948 wurde die ehemalige Leichenhalle am jüdischen Friedhof mit Hilfe der damaligen französischen Besatzungssoldaten zu einer Synagoge umgestaltet. Heute ist die jüdische Kultusgemeinde Koblenz Rechtsnachfolgerin von über 40 jüdischen Gemeinden aus dem Umkreis, die bis zum Zweiten Weltkrieg existiert hatten. Doch im Gegensatz zu den übrigen Gemeinden in der Rheinpfalz hat diese Gemeinde mit großen strukturell bedingten Schwierigkeiten zu kämpfen.

In Trier dagegen, obgleich auch diese Gemeinde lange Zeit recht klein war, hat die Gemeinde immer viel Gemeinsinn bekundet und sich stets bemüht, jüdisches Leben in Trier zu pflegen. Trotz der geringen Zahl der Mitglieder finden allwöchentlich Gottesdienste statt. Hin und wieder reist ein Rabbiner aus Luxemburg an. Denn gegenwärtig gibt es in ganz Rheinlandpfalz keinen amtierenden Rabbiner. Für den Religionsunterricht der Kinder kommt einmal in der Woche ein Lehrer hierher aus Wiesbaden. Auch wenn sich die Gemeinde keine jüdische Schule und kein jüdisches Altersheim leisten kann, so ist das Gemeindeleben, an dem Ältere und Jüngere gleicherweise beteiligt sind, doch quicklebendig. Man trifft sich an den Feiertagen, an Pessach und Chanukka zum Beispiel, und pflegt freundschaftliche Kontakte zur christlichen Nachbargemeinde. Sogar eine jüdische Frauengruppe gibt es hier, die einmal im Monat zusammenkommt. Für einen Sportverein reicht allerdings die Zahl nicht aus. Etliche Juden leben zwar auch außerhalb der Gemeinde und haben wahrscheinlich nie eine Synagoge von innen gesehen. "Von ihnen erfahren wir meistens erst etwas", sagte Voremberg, der einstige Vorsteher der Gemeinde, "wenn sie beerdigt werden."

Früher existierten im Regierungsbezirk Trier viele kleine Gemeinden mit beinahe dreieinhalbtausend jüdischen Menschen. Jedes dritte Dorf hatte eine kleine jüdische Gemeinschaft mit Synagoge und eigenem Friedhof. Vierzig Friedhöfe existieren heute allein im Raum Trier. Vereinzelt leben in der Umgebung heute wieder Juden, die jedoch, wenn sie an einem Gottesdienst teilnehmen wollen, nach Trier kommen müssen. Aber wenn einer, meint Voremberg, von seinem Judentum innerlich überzeugt ist, dann ist ihm auch der Weg von Bernkastel oder anderswoher nach Trier nicht zu weit. Manche kommen sogar aus Bitburg oder aus Idar-Oberstein, obwohl diese Orte nicht mehr zum Trier Gebiet gehören. Solange Amerikaner, die auf den Flugplätzen bei Trier stationiert waren, kamen auch diese häufig zum Gottesdienst nach Trier.

Am 3.Dezember 1999 wurde der zwei Jahre zuvor beschlossene Staatsvertrag zwischen dem Bundesland und dem Landesverband Jüdischer Gemeinden von Rheinland-Pfalz unterzeichnet und damit eine jahrzehntelange Rechtsungleichheit beseitigt.

Inzwischen hat sich die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz so weit erhöht, dass der Satz, den Dr. Kurt Metzger, der letzte Landauer Bezirks-Rabbiner bei der Enthüllung eines Gedenksteins im Jahr 1992 am Standort der Speyerer Synagoge ausgesprochen hat: "Wo einst jüdisches Leben blühte - gibt es nur noch Zwerggemeinden mit einem Häuflein Juden, Friedhöfen und Ruinen"zum Glück so nicht mehr stimmt.

Quellen

Der inzwischen geringfügig geänderte Bericht erschien erstmals in:"Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums". 39.Jahrgang Heft 153, 1.Quartal 2000.


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