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Nietzsches Vorbilder und Ansichten über einzelne Autoren

Bevor wir uns der Rezeptionsgeschichte Nietzsches zuwenden, fragen wir erst einmal nach seinen literarischen Vorbildern und Vorlieben. Unter den Dichtern bevorzugte er Hölderlin (dessen "Empedokles" und "Hyperions Schicksalslied" haben ihn stark beeindruckt), Novalis, Laurence Sterne, die Romantiker, und sicherlich auch Heinrich Heine und Joseph von Eichendorff, denn manche Gedichte von Nietzsche stehen in ihrer Nachfolge, ferner Dostojewski, natürlich Goethe - mit Schiller dem "Moraltrompeter von Säckingen" hatte Nietzsche dagegen wenig im Sinn - und, man höre und staune, Adalbert Stifter. In "Menschliches Allzu Menschliches" hat Nietzsche den "Schatz der deutschen Prosa" wie folgt beurteilt: "Wenn man von Goethes Schriften absieht und namentlich von Goethes Unterhaltungen mit Eckermann, dem besten deutschen Buche, das es gibt; was bleibt eigentlich von der deutschen Literatur übrig, das es verdiente, wieder und wieder gelesen zu werden? Lichtenbergs Aphorismen, das erste Buch von Jung-Stillings Lebensgeschichte, Adalbert Stifters Nachsommer und Gottfried Kellers Leute von Seldwyla,-und damit wird es einstweilen am Ende sein."

Über Dostojewski urteilte Nietzsche, der gehöre zu den "schönsten Glücksfällen in seinem Leben. An Peter Gast schrieb er aus Nizza am 13.2.1887:"Kennen Sie Dostojewski? Außer Stendhal hat niemand mir so viel Vergnügen und Überraschung gemacht: ein Psychologe, mit dem ich mich verstehe." Tolstoi war dagegen für Nietzsche von geringerer Bedeutung.

Die Schriftstellerin George Sand nannte er eine "Milchkuh mit schönem Stil" und Jean Paul "ein Verhängnis im Schlafrock."

Verehrung und Abneigung für einzelne Dichter blieben bei Nietzsche nicht immer gleich. Auffälligstes Beispiel ist Heinrich Heine. Zuerst hatte er, als 24jähriger Professor in Basel, Heine abgelehnt, weil er ihn damals mit den Augen seines antisemitischen Mentors Richard Wagner sah. Später entdeckte er zwischen sich und Heine zahlreiche Parallelen und schrieb in "Ecce homo":"Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben." In den "Liedern des Prinzen Vogelfrei" hat Nietzsche dem chronisch kranken Dichter Heine ein Denkmal gesetzt. Zudem verglich er seine eigene Situation mit der Heines in der "Matratzengruft".

Eigenwillig ist auch Nietzsches Vergleich zwischen Goethe und Kleist. Goethe war für ihn die Inkarnation des Apollinischen und Gesunden und Kleist die des Dionysischen und Kranken.


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