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“Es brodelt und kafkat, es werfelt und kitscht”

"Brod ist berühmt für das, was er nicht getan hat", schrieb einmal Peter Demetz, "nämlich Kafkas Manuskripte zu vernichten, wie es sein Freund wünschte, als für all das, was er in einem langen und produktiven Leben, in seiner doppelten Heimat in Prag und in Tel Aviv als Schriftsteller und Kritiker dachte und schrieb, in 82 Büchern und vielen Essays und Rezensionen."

Während Brods einst erfolgreiches literarisches Werk heute kaum noch beachtet wird, weiß jeder, der sich in der Literatur einigermaßen auskennt, wie sehr er sich als Herausgeber der Werke des 1924 verstorbenen Schriftstellers Franz Kafka verdient gemacht hat.

Als Max Brod am 27.Mai 1884 in Prag das Licht der Welt erblickte, war sein Geburtsort noch eine Provinzstadt der k.und k.Monarchie, die ihr Zentrum im kulturell tonangebenden Wien hatte. In seiner Heimatstadt besuchte er eine christlichen Grundschule und das Stephan-Gymnasium und studierte ab Herbst 1902 an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag Jura, nicht aus Vorliebe, sondern "dem Willen meines Vaters gemäß".

Nach der Promotion 1907 erhielt Brod nach einigen Umwegen eine Anstellung bei der Prager Postdirektion. Ähnlich wie Kafka lockte ihn hier vor allem die kürzere Arbeitszeit, die ihm ausreichend Zeit für seine literarischen Projekte ließ. Doch im Gegensatz zu Kafka stieg Brod schnell zu einem erfolgreichen Schriftsteller auf und arbeitete - bis zu seiner Auswanderung nach Palästina im Jahr 1939 - als freier Autor und Theater- und Musikkritiker am "Prager Tagblatt", das als eine der besten deutschsprachigen Tageszeitungen Böhmens galt. (Über die Zeit beim Tagblatt schrieb Brod später in seinem Roman "Rebellische Herzen".)

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich Brod durch einschneidende Erlebnisse von einem "indifferenten" zu einem bewussten Juden, der mit dem zionistischen Projekt von Theodor Herzl sympathisierte.

Als im März 1939 deutsche Truppen 1939 die Gebiete der Tschechoslowakei besetzten und das so genannte "Protektorat Böhmen und Mähren" errichteten, verließ Brod mit dem letzten Zug, der die tschechisch-polnische Grenze vor der Besetzung durch die Nazis passierte, Prag. Was nun kam, erschien ihm wie ein "Geschenk des Himmels". Die Übersiedlung nach Palästina bedeutete für ihn nicht Emigration, sondern Heimkehr. Empfand er doch das Land nicht als Exil. Die zionistische Idee war für Brod nun alltägliche Wirklichkeit geworden, und er war durchaus bereit für die Realisierung seines zionistischen Traumes Beschwernisse in Kauf zu nehmen. Aber nicht alles akzeptierte er kritiklos, was er in Palästina vorfand, vielmehr empfand er es als seine Pflicht, das, was er als falsch oder unrichtig erkannt hatte, korrigieren zu helfen.

Schon in den ersten Monaten nach seiner Einwanderung hielt Brod Vorträge in hebräischer Sprache. Auch nahm er als Dramaturg des "Habimah"-Theaters die Gelegenheit war, die hebräischen Zuschauer mit ursprünglich deutschen oder deutsch-jüdischen Schauspielen bekannt zu machen.

Ab Mitte der fünfziger Jahre reiste Brod, Jahr für Jahr, nach Europa, um Vorträge zu halten, um an Theateraufführungen teilzunehmen und um junge Komponisten und Schriftsteller zu treffen. Doch erst 1964 im Vorfeld des Prager Frühlings betrat er in Prag vor Hunderten von Lesern und Freunden von Kafkas Werk die literarische Szene seiner Vaterstadt. Der einstige Staatsbeamte der Republik Brod hielt seinen Vortrag in tschechischer Sprache im Festsaal des Klosters Strahov. Später sagten Zeitgenossen, dieser Tag sei ein Vorbote des Prager Frühlings 1968 gewesen.

In Israel wandte sich Brod dagegen, dass gewisse Kreis hier es ablehnten, die Ausschreitungen des "Dritten Reiches" zu verzeihen. "Vergessen kann man freilich nie, was geschehen ist." Doch müsse man zugeben, dass in Deutschland gegenwärtig - man schrieb das Jahr 1968 - vieles getan werde, um Strömungen, die einst zum Nationalsozialismus geführt hatten, nie wieder aufkommen zu lassen.

Schalom Ben Chorin rühmte seinen Freund Max Brod (dieser starb am 20.Dezember 1968 in Tel Aviv) als liebenswürdigen und gütigen Menschen mit umfassender Bildung, als eine schöpferische Persönlichkeit und schrieb einmal, dass es Brod war, der für ihn die Brücke zwischen der Dichtung, dem Geist des Judentums und der Botschaft des Glaubens geschlagen habe. Sein Lebenswerk sei eine Dokumentation des Streites um die Wahrheit und sollte deshalb Bestand haben.

Der Aufsatz erschien in der Zeitschrift “Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums”. Heft 199, 4.Quartal 2008 unter der Überschrift “Vor vierzig Jahren starb Max Brod”, unter der obigen Überschrift erschien der Artikel in der Literaturzeitschrift “Literaturkritik.de” in Heft 1/2009.


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