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Allgemeine Rezeptionsgeschichte der Klepperschen Werke

Unmittelbar nach dem Krieg erreichten etwa zwanzig Jahre lang Jochen Kleppers Werke - insbesondere die geistlichen Gedichte und die gekürzte Ausgabe seiner Tagebücher - hohe Auflagen. Freunde und Bekannte haben des Schriftstellers in pietätvoller Weise gedacht. Neben den Aussagen der Zeugen erhoben sich meistens Stimmen der Huldigung, die auf das "Opfer der Dämonie" und den "standhaften Glauben des überzeugten Christen" hinwiesen.

Wohl durch den nachträglichen Kult irritiert, erhob sich 1959 in der Schweiz eine für dieses friedfertige Land ungewohnt harte Stimme gegen den "hehren Überwinder, der auf jeden von uns ohne mit der Wimper zu zucken geschossen hätte, wenn ihm das von seinem Nazistaat befohlen worden wäre, und für diese Führung und Fügung obendrein seinem Gott auf den Knieen gedankt hätte." (R.J.Humm: "Ein deutsches Schaf" in :"Unsere Meinung, Zürich, Februar/März 1959).

Der westdeutsche Kritiker Dietrich Lattmann und der Pastor Jürgen Henkys, der die Einführung zur DDR-Ausgabe der Tagebücher schrieb, waren der Meinung, dass der unverwechselbare Jochen Klepper, der einen einsamen Weg beschritt, gleichzeitig "eben doch nur dachte und handelte, wie die meisten Deutschen seiner Kreise damals taten." (D.Lattmann in "Die neue Schau, Kassel Juli 1957; J.Henkys: Zur Einführung in J.K. Unter dem Schatten. Berlin (DDR 1967).

Er war, so Lattmann, "wie die Mehrheit dieser Schicht politisch zu arglos, innerlich zu wenig vorbereitet und im Grunde seines Wesens dem Staat gegenüber zu gehorsam, als dass er hätte gänzlich sehen und begreifen können, was um ihn vorging." Rita Thalmann meint dagegen: "Der protestantische Schriftsteller Jochen Klepper ist weder ein "Märtyrer der Kirche" noch war er ein "deutsches Schaf". Sein Lebenslauf bekundet nur mit besonderer Prägnanz die Irrungen und Wirrungen eines Bürgertums, dessen Erziehung zur 'gottgewollten Gemeinschaft in Volk und Vaterland' keinen Raum für eine kritische Auseiandersetzung ließ.

Martin Johannes Wecht, der mit einer Arbeit über Jochen Klepper in den neunziger Jahren promoviert wurde, unterscheidet drei Phasen der Klepper-Rezeption: die erste Phase seit 1956 beruhte eher auf der Publikation der Tagebücher Kleppers und Äußerungen von Zeitzeugen. Die zweite Phase ist dadurch gekennzeichnet, Leben und Werk Kleppers wissenschaftlich zu erforschen. Mit Kleppers 50.Todestag(1992) beginnt die dritte Phase, die in einer kritischen Sichtung der bisherigen Leitbilder der Klepper-Darstellung besteht, näherhin den Publikationen von Rita Thalmann (1977) und Gérard Imhoff (1982), die pauschal Klepper abwerten.


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