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"Das Leid der Welt zur Sprache bringen" Leben und Werk von Jochen Klepper

Einleitung

Neben Ernst Wiechert, Reinhold Schneider und Gertrud von Le Fort war Jochen Klepper einer der herausragendsten Vertreter der sogenannten "inneren Emigration" während der NS-Zeit. Am 24.1.1940 schrieb Klepper an Reinhold Schneider: "Ich bin ein Emigrant im Vaterland."

Kleppers Leben und Leiden ist vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg wiederholt beschrieben worden. Herausgestellt wurde dabei besonders seine Verbundenheit mit Menschen in Not, eine Verbundenheit, die in tiefer christlicher Überzeugung wurzelte und wie selbstverständlich jüdische Bürger miteinschloss. Kategorisch hat Klepper allen Lockungen und Drohungen, sich von seiner jüdischen Frau und ihren beiden Töchtern zu trennen, widerstanden, obwohl ihm auch der Kleppersche Familienverband die Solidarität versagt hatte, weil man fürchtete, Kleppers 'nichtarische' Frau und deren Nachkommen könnten die Verwandten in staatlichen Funktionen und Parteistellen in eine bedenkliche Lage bringen.

Geboren wurde Jochen Klepper am 22.März 1903 in Beuthen an der Oder als Sohn eines evangelischen Pfarrers. Er hatte zwei ältere Schwestern, Margot und Hilde, und zwei jüngere Brüder, Erhard und Wilhelm. Seine Beziehung zu den Eltern könnte man mit den Stichworten umschreiben: Überschwengliche Liebe zur Mutter, heftige Konflikte mit dem Vater. Der Vater war deutsch-national, lebensfreudig, gutem Essen, der Jagd und der Marschmusik zugetan, übermächtig und den Widerspruch des Sohnes herausfordernd. Die Ehe der Eltern war nicht sehr harmonisch. Als Pastor genoss der Vater hohes Ansehen, jedoch war er nicht in der Lage, die in Katechese und Glaubenslehre vermittelten Inhalte seiner eigenen Familie vorzuleben. Diese Widersprüchlichkeit löste bei dem heranwachsenden Jochen Klepper eine schwere Krise aus. Früh bekam er auch die Spannungen zwischen Vater und Mutter mit. Seine Mutter Hedwig lehnte die Rolle der Pfarrfrau ab und zeigte ihre innere Ablehnung zum Beispiel dadurch, dass sie zwar um der Gemeinde willen die Predigten des Vaters über sich ergehen ließ, dabei aber im verschlossenen Kirchenstuhl Patiencen zu legen pflegte.

1934 schreibt Jochen Klepper in sein Tagebuch, kurz vor dem Tod des Vaters: "Vater und ich sind uns ja eine der schwersten Prüfungen gewesen, die Gott uns auferlegt hat, und was Sünde und Gnade, Führung Gottes ist, haben wir in großen Erregungen und Leiden aneinander erfahren. Es ist das einzige Mal, dass ich im Leben die Bitte des Vaterunsers ganz begriffen habe, im jahrelangen Prozess: 'Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern'."

Der Konflikt zwischen Vater und Sohn verschärfte sich, als Jochen am 28.März 1931 standesamtlich die verwitwete Jüdin Johanna Gerstel-Stein heiratete, die dreizehn Jahre älter war als er und zwei Töchter, Renate(Reni) und Brigitte, damals sieben und neun Jahre alt, mit in die Ehe brachte. An dieser Trauung sollen weder Kleppers Eltern noch seine Geschwister teilgenommen haben. Durch Hanni jedoch erhielt Jochen Klepper die Möglichkeit, sich von den Fesseln seiner Herkunftsfamilie zu befreien und seine eigene Identität zu finden. Sie gab ihm nach Jahren schwerster innerer Wirren und Gefährdung Ruhe und Bestätigung und bereitete ihm den einzigartigen Schaffensgrund, dessen er so sehr bedurfte.


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