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Viele Theologen verteidigen den Humor in der Kirche

"Gott aber lachte", unter diesem Titel hielt Mario von Galli seine erste Predigt 1935 im Dritten Reich. Schließlich habe Jesus, betont von Galli in seinen Erinnerungen, nicht eine Drohbotschaft verkündet, sondern "die Frohbotschaft" schlechthin. Dass Gott die Freude will, kann als die Grunderfahrung des Lebens von Mario von Galli bezeichnet werden: eine Botschaft, die oft vergessen scheint.

"Lacht!", forderte der Jesuitenpater Karl Rahner seine Gemeinde auf, "denn dieses Lachen ist ein Bekenntnis, dass Ihr Menschen seid." In den Kreisen um Karl Rahner, aber auch um andere gebildete Jesuiten, Dominikaner, Professoren der Theologie an Universitäten und in Priesterseminaren wurde der Witz gepflegt, ja kultiviert.

Bekanntlich haben auch Rudolf Bultmann, Karl Barth und Helmut Thielicke in und mit ihren Predigten und Büchern für eine positive Einstellung des Christentums zum Humor geworben. Christlich sei der Humor dann, so Bultmann, wenn die heitere Distanz zur Welt nicht bloße Resignation ist, sondern das Bewusstsein der Freiheit, das aus der Erfahrung des Scheiterns erwachsen ist, aus der Erfahrung, dass in einem solchen Scheitern der Mensch erst wirklich zu sich selbst gebracht und zur Liebe befreit wird, in der sein Tun und Treiben wirklichen Ernst gewinnt.

Karl Barth schreibt drei Wochen vor seinem Tod:" Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei seiner Sache ist. Nur keine verdrießlichen Theologen! Nur keine langweiligen Theologen!"

Helmut Thielicke stellte ebenfalls eine intime Beziehung zwischen Humor und Glauben fest. In seinen Predigten und Schriften bewies Thielicke immer wieder seinen Sinn für Humor. Er meinte, dass im Humor der Mensch seinem eigentlichen Wesen begegnet, dass er sich so in ihm gebärdet, wie er im Entwurf des Schöpfers gemeint ist.."der gelöste, aber noch nicht oder nicht mehr in den Netzen des Sündenfalls verstrickte und mannigfach gebundene Mensch."

Hier noch einige Zitate bekannter Persönlichkeiten, die für Humor in der Kirche werben:

Lützeler:Der Humor ist ein lächelndes JA zur Umwelt. Er weiß um die Brüchigkeit des Menschen, der so selten das von ihm oder von seinem eigenen Gewissen vorgehaltene Hochbild erreicht, und verrät in seinem Gefühl der Kreatürlichkeit wohl einen christlichen Urgrund, wie er in seinem Ja zur Kreatürlichkeit wohl eine Abart christlicher Güte ist. Vielleicht hängt der ausgesprochene Sinn der Geistlichkeit für Humor damit zusammen.

Korte:Es gibt genug zu lachen im Christenleben, vom Anfang bis zum glücklichen Ende für den, der an die Verheißung des Herrn glaubt:Ihr werdet lachen.

Bischof Kelley: Humor ist kein Hindernis für Heiligkeit. Wenn du sonst nichts zum Lachen finden kannst, so hast du doch immer noch dich selbst. Dem Nächsten mit Lachen die Wahrheit sagen, ist allemal besser, als ihn mit der Wahrheit zu erschlagen. Humor hat viel mit Liebe und Güte zu tun. Wer die Freudenbotschaft ernst nimmt, hat Grund zu lachen.

Lessing hat es verstanden, Humor in die Theologie zu bringen, wie folgendes Zitat aus einem Brief an den glaubensstarken Hauptpastor Johann Melchior Goeze beweist:"..darf ein Prediger Komödien machen? Hierauf antworte ich, warum nicht? Wenn er kann. Die zweite: Darf ein Komödiant Predigten machen? Und darauf meine Antwort: Warum nicht? Wenn er will."

Der Humor ist sicher nicht die schlechteste Art, mit den Unzulänglichkeiten der Schöpfung fertigzuwerden.

Der katholische Denker Theodor Haecker(1879-1945) stellte fest, der Humor sei ein "natürlicher Ausdruck des Menschen gegenüber der unendlichen Macht, die ihn ershaffen hat, in deren unentrinnbaren Händen er ist." Der Mensch braucht Humor, um Gott ertagen zu können, der Humor ist eine momentane Loslösung aus der von Schleiermacher konstatierten "schlechthinnigen Abhängigkeit" des Menschen von Gott.

Paul Claudel: Wer das Ganze überblickt, der kann es sich gestatten, das Krause, Verkehrte und Schiefe in dieser Welt mit gelassenem Humor zu betrachten und gelegentlich darüber herzhaft zu lachen." "Freude und Wahrheit, das ist ein und dasselbe. Wo die größte Freude herrscht, dort ist auch am meisten Wahrheit zu finden."

Für Friedrich Dürrenmatt barg die Begegnung zwischen Gott und Mensch eine Fülle von Missverständnissen, "darin liegt eine Menge herrlichster Komik."

Der Humorist akzeptiert den Bruch in der Schöpfung, zumindest weiß er, dass er ihn nicht kitten kann. Ephraim Kishon kam zu dem pessimistischen Schluss, in der allerdings von der Frohen Botschaft wenig zu spüren ist: "Vielleicht kann man überhaupt nur als Satiriker überleben. Das Leben ist von Grund auf absurd. Schon in der Bibel steht auf der zweiten Seite geschrieben, dass der Mensch schlecht sei von Geburt an. Ich weiß nicht, warum der liebe Gott, das schon auf der zweiten Seite vermerkt hat, aber jedenfalls sind die Menschen unglaublich schwache Geschöpfe. Jeder lügt, stiehlt und betrügt, wenn er glaubt, dass er nicht erwischt wird."

Ohne das Böse gäbe es wahrscheinlich keinen Humor, denn in einer vollkommenen Welt gäbe es keine menschlichen Schwächen und kein Widrigkeiten der Natur. Wir hätten, wäre diese Schöpfung nicht eine gefallene Schöpfung, nichts zu lachen. Nietzsche meinte sogar, der Mensch musste das Lachen erfinden, denn er ist das unglücklichste und melancholischste Tier. Fritz Blanke: Im Humor sind Nachklänge des Paradieses geblieben. Er ist ein Überrest der ursprünglichen Gottesebenbildlichkeit der menschlichen Seele. Dietrich Bonhoeffer schrieb aus dem Gefängnis, dass Humor den christlichen Glauben in der Not stärke. Alfred Delp, ein katholischer Priester, der ebenfalls von den Nazis hingerichtet wurde, machte auf dem Weg zur Hinrichtung in der besten Tradition des christlichen Martyriums einen Scherz: Er fragte den ihn begleitenden Pfarrer nach den letzten Neuigkeiten von der Front und sagte dann:"In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie."

Für den amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr ergab sich die intime Beziehung zwischen Humor und Glaube aus der Tatsache, dass sich beide mit der Widersprüchlichkeit unserer Existenz befassen. Otto Betz:Wer etwas vom Evangelium begriffen hat, dem dürfte eigentlich das Lachen nicht schwerfallen. Uns ist Heil verheißen, Vergebung geschenkt, Freude angekündigt, warum sollen wir da Trübsal blasen? Der Humor ist ein Ausdruck geistiger Reife. Ein Glaube, der keinen Humor zuläßt, weckt Misstrauen. Sigismund von Radecki: "Lachen ist verkappte Religiosität. Lachen ist unser Glück. Lachen überbrückt unsere Gegensätze und ist Symbol dafür, dass es hoch über uns einen Punkt gibt, wo diese Gegensätze aufgehoben sind. Wir können nur darum lachen, weil wir etwas wissen, über das es nichts mehr zu lachen gibt." Die Erfahrung des Komischen ist ein Versprechen von Erlösung. Ein versöhnliches, tolerantes, ausgleichendes Lachen tendiert zu Heiterkeit und Jubel aus tiefer Lebensfreude, die den Glauben beflügelt, liest man im "Wörterbuch des Christentums".

Lothar E.Zeidler:Im modernen Zeitalter brisanter technischer Entwicklungen mit all seinem Fluch- und Segenspotential sollte dem Lachen ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, nicht aus Blindheit vor der Apokalypse, sondern aus unauslöschlichem Optimismus, wodurch sich das Lachen christlich als Chiffre der Hoffnung auszeichnet.

Beer:Fast beschämt können wir uns daran erinnern lassen, dass das Leben von Christen von Freude getragen sein darf, ja auch Humor, Lachen und sogar Lustigkeit haben darin Platz. "Wenn ich an meinen lieben Gott denke, werde ich so lustig, dass ich mich nimmer zu lassen weiß", entgegnete der Komponist Joseph Haydn auf den Vorwurf, seine Messen seien zu heiter.

Peter Berger sieht im Komischen eine Signatur oder ein Signal des Transzendenten. Es besteht eine tiefe Affinität des Komischen zu Religion und Magie. Der Bereich des Komischen ist weit gefächert, vom heilenden Wahnsinn bis zur diskreten Ironie. Es hat eine Nähe zur religiösen Sphäre.

Vielleicht wäre die Kirchen- und Weltgeschichte anders verlaufen, wenn man dem Lachen und dem Frohsinn mehr Raum gegeben hätte, gibt Thiede zu bedenken und bezieht sich dabei auf Nietzsches Aussage, dass er das Christentum glaubhafter finden würde, wenn mehr Christen erlöster ausgesehen und mehr Humor bewiesen hätten. Auch Theo Glaser betont."Vom humorlosen Christen geht keine ansteckende Wirkung aus. Sie machen eine schlechte Reklame für ihre Sache."

Theresa von Avila(1515-1582), die einen jüdischen Großvater gehabt haben soll, überwand alle Widerstände mit Humor. Sie besaß die Fähigkeit zu mystischer Versenkung und weltabgewandter Kontemplation, trat aber auch aktiv und resolut im weltlichen Leben auf und war fröhlich und humorvoll. Als sie während eines Klosterbesuchs mit sichtlichem Appetit ihr Leibgericht verspeiste, machte eine Dienstmagd eine abfällige Bemerkung, worauf sie barsch erwiderte:"Merke dir:Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Buße, dann Buße."

Meister Eckart (gestorben 1327) hatte ebenfalls eine positive Einstellung zur Freude und zum Lachen, ebenso Katharina von Siena(gestorben 1380) mit ihrer steten Fröhlichkeit trotz ihrer Leiden, sowie Heinrich Seuse (gestorben 1366) mit seiner humorvollen Ader. Als christliche Mystiker vereinten sie schmerzlichen Realitätsbezug mit heiterer Gelassenheit. 1694 schreibt der Jesuitenpfarrer Cavaro offene Briefe an den französischen Theologen Jacques Benigne Bossuet(1627-1704), um die Predigt zu verteidigen, die sich des Humors bedient, während sich Bossuet für eine Predigt aussprach, die auf die Tränendrüse drückt. Don Bosco wiederum war der Überzeugung: Der Teufel hat Angst vor fröhlichen Menschen. Satan fiel, weil er sich zu ernst nahm.

Vor geraumer Zeit forderte Maria Jepsen, die Bischöfin von Hamburg, in einem Interview: "Unsere Kirche, die zuweilen so wirkt, als ob alles nur Last und Mühsal sei - das ist eine Folge protestantischer Strenge -, muss nach meiner festen Überzeugung, auch wieder fröhlicher werden. Befreiendes Lachen ist kein Verstoß gegen Gläubigkeit."


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